Die 11 Punkte seines „Corona-Panoramas“ auf zeitzeichen.net sind die beste kirchlich-theologische Deutung der Gegenwart, die ich bisher wahrgenommen habe. Ich ertappe mich beim Lesen ständig dabei, „Ja, ja!“ zu sagen. Sowohl bei den Punkten, wo er klug Position zu bekannten Fragen einnimmt. Als auch bei den Punkten, wo er aufmerksam auf vergessene oder verdrängte Fragen hinweist. Und nicht zuletzt bei den Punkten, wo er unaufgeregt auf allzu schnelle Antworten verzichtet. In dieser Richtung will ich auch weiter nachdenken!
Autor: Vicco von Bülow
Gott und die Welt? Flachwitz oder Heiliger Ernst? Klare Kante oder Kirchendiplomatie? Bernd Tiggemann oder Vicco von Bülow?
Na, irgendwas dazwischen! So heißt der Podcast, an dem Bernd und ich uns versuchen. Wir plaudern über alles, was uns so durch den Kopf geht. Über Gott und die Welt und – eben! – irgendwas dazwischen. Und hoffen, dass jemand zuhört.
Online unter „Irgendwas dazwischen“, bei Spotify, bei Apple Podcasts und überall, wo es gute Podcasts gibt.

„Darum tröstet euch untereinander…“
Geistliches Wort zum 23. März 2020
auf www.evangelisch-in-westfalen.de:
„Darum tröstet euch untereinander und einer erbaue den andern, wie ihr auch tut.“ (1. Thessalonicher 5,11)
Nehmen wir uns Zeit für einander, für persönliche Gespräche und für konkrete Hilfe. Es ist gut, wenn ich merke, dass ich nicht allein bin, sondern jemand für mich da ist. Und es ist gut, wenn ich für andere da sein kann. So trösten wir uns gegenseitig in unsicheren Zeiten.
Einige Stichworte im Dialog der Evangelischen Kirche von Westfalen mit der Neuapostolischen Kirche [<- hinter diesen Links verbergen sich Berichte über einen gemeinsamen Studientag beider Kirchen am 7. März 2020 in Haus Villigst]
Kirchenverständnis:
CA (Confessio Augustana / Augsburger Bekenntnis von 1530), Artikel VII:
„Es ist aber die Kirche die Versammlung der Heiligen, in der das Evangelium rein gelehrt wird und die Sakramente [Taufe und Abendmahl] richtig [=evangeliumsgemäß] verwaltet werden.“
CA VIII:
„da in diesem Leben viele böse Menschen und Heuchler darunter sind“
Unter Apostolizität wird evangelischerseits die Übereinstimmung der heutigen Kirche mit dem in der Bibel enthaltenen Evangelium von Jesus Christus verstanden. Die institutionelle Apostolizität (in Person von Bischöfen oder Aposteln) gehört zum „bene esse ecclesiae“, kann also gut und hilfreich sein, ist aber akzidentiell und nicht substantiell.
Amtsverständnis:
CA V:
„damit wir diesen Glauben erlangen, ist das Amt zum Lehren des Evangeliums und Austeilen der Sakramente eingesetzt worden“
Zum Amt gehören Ausbildung und Beauftragung/Ordination. Es ist eingebunden in eine zu aktualisierende Tradition; es hat keine heilige Dignität sondern Funktionalität.
Otto Weber, Grundlagen der Dogmatik,
Bd. 2, Neukirchen-Vluyn 7. Auflage 1987, S. 635:
Das gegliederte Amt
„(Amt und Charisma.) Die in der Gemeinde zu verrichtenden Dienste bestimmen sich nach den Gaben, die der Gemeinde gewährt sind, und damit den Aufgaben, die sich ihr Stellen. Da aller kirchliche Dienst unter dem verkündigten Wort geschieht, so gebührt dem „Dienst am Wort“ der wichtigste Platz. Er kann aber nicht recht geschehen, wenn nicht zugleich solche Dienste verrichtet werden, die der Erhaltung der Gemeinde in der Disziplin („Zucht“) und in der Liebe gewidmet sind. Diese Dienste gehören zum „Amt“ in der Gemeinde, sind ihm nicht unterstellt, sondern innerhalb der Bruderschaft beigeordnet und bilden mit ihm zusammen das Amt in der Gemeinde. Das ministerium ecclesiasticum ist mehrfältig. Es ist zugleich von der Art, dass es für andere, neu als nötig erkannte Dienste offen ist.“
Kirchenordnung der Ev. Kirche von Westfalen:
KO Grundartikel I-IV:
– Jesus Christus – AT und NT – Rechtfertigung
– Lutherische – Reformierte – Unierte Gemeinden, Bedeutung der Barmer Theologischen Erklärung
– Diener am Wort achten und wahren Bekenntnisstand der Gemeinden, Zulassung aller zum Abendmahl
– Innere Gemeinschaft, Gemeinschaft mit anderen reformatorischen Kirchen
KO Art. 1:
„im Vertrauen auf den dreieinigen Gott, der Israel erwählt hat und ihm die Treue hält“
KO Art. 6ff:
Die Kirchengemeinde –> presbyterial-synodaler Aufbau (Ev. Kirche von Westfalen, Unsere Geschichte. Unser Selbstverständnis (2015), S.8)
KO Art. 18ff:
Ämter und Dienste in der Kirchengemeinde:
Pfarrer/innen, Prediger/innen, Prädikant/innen, Presbyter/innen,
weitere Ämter und Dienste (Kirchenmusiker/innen, Diakone/Diakoninnen,
Gemeindepflege und Diakoniestationen, Gemeindepädagog/inn/en, Sozialpädagog/inn/en,
Erzieher/innen, Küster/innen, Verwaltung)
Frauenordination seit 1974 (Unsere
Geschichte, S. 14)
KO Art. 84 ff.:
Der Kirchenkreis
(Superintendent/in, Kreissynodalvorstand)
KO Art. 117 ff:
Die Landeskirche
(Landessynode, Kirchenleitung, Landeskirchenamt, die Präses als Vorsitzende der
Landessynode + als Leitende Geistliche ≈ Bischöfin in anderen evangelischen
Kirchen + als Vorgesetzte des Landeskirchenamts)
KO Art. 156 ff:
Die landeskirchlichen
Ämter und Einrichtungen
(KO Art. 167ff: Der Dienst an Wort und Sakrament ≈ Kirchliche Lebensordnung)
Leitsätze der EKvW
( Ev. Kirche von Westfalen, Unser Glaube. Unser Leben. Unser Handeln (2015), S. 20ff.)
- Wir machen uns auf den Weg zu den Menschen.
- Wir sind offen und einladend.
- Wir feiern lebendige Gottesdienste.
- Wir begleiten die Menschen.
- Wir bieten Orientierung.
- Wir machen uns für Menschen stark.
- Wir machen Menschen Mut zum Glauben.
- Wir nehmen gesellschaftliche Verantwortung wahr.
- Wir laden zu aktiver Mitgestaltung und Beteiligung ein.
- Wir fördern die weltweite Ökumene mit anderen Kirchen.
Volkskirche:
nicht mehr Kirche des Volkes, sondern Kirche für das Volk
Barmer Theologische Erklärung (1934), These VI:
„Der Auftrag der Kirche, in welchem ihre Freiheit gründet, besteht darin, an Christi Statt und also im Dienst seines eigenen Wortes und Werkes durch Predigt und Sakrament die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk.“
#nedika2020
Nedika2020 – das steht für „Netzwerk Digitalisierung Kassel 2020“.
Ein Netzwerktreffen zu „Digitalisierung, Theologie und Ethik“, das die EKD zusammen mit weiteren Partnern am 21./22. Februar in den Räumen der ECKD in Kassel organisiert hat.
Das Tagungsprogramm war erstmal karg: Es gab viele Leerräume bei
– Ankommen,
– Begrüßung,
– Kennenlernen,
– Themen identifizieren,
– Vernetzungsräumen,
– Arbeitsgruppen ohne Titel, deren Ergebnisse im Plenum präsentiert werden sollten,
– einer Blitzlichtrunde,
– dem obligatorischen Reisesegen,
– der obligatorischen Morgenandacht und
– natürlich, einem kirchenleitenden Grußwort.
Zusammen mit Bernd Tiggemann fuhr ich als Vertreter der Evangelischen Kirche von Westfalen mit gemischten Erwartungen nach Kassel. Sicher, Theologie und Ethik der Digitalisierung sind wichtige Themen – aber war da genug Input zu erwarten? Das Ganze schien doch sehr von den Teilnehmern abzuhängen. Im Bahnhof Kassel dann die ersten Begegnungen mit bereits und noch nicht Bekannten, die Vernetzung setzte sich auf dem Weg übers Hotel ins Tagungszentrum fort – ein guter Anfang.
Und es ging gut weiter: 60 Leute waren dabei, die alle ein großes Interesse an Digitialisierung UND an Theologie UND an Ethik hatten. UND aneinander. Manchmal braucht auch die digitale Szene ihre Spiegelung in der Kohlenstoffwelt, mit viel physischer Ko-Präsenz.
Ralph Charbonnier erinnerte an Leibniz und verortete das Zentrum des Nachdenkens über die Binarität und die Digitalisierung seither in Hannover-Herrenhausen ;-). Stefanie Hoffmann berichtete von der Stabsstelle Digitalisierung im Kirchenamt der EKD und führte in die Andachtsform twaudes ein. Kristin Merle stellte fest, dass digitale Transformationen die wissenschaftliche Theologie zur Neuformulierung zwingen; sie forderte eine Durchdringung der religionskulturellen Gegenwart. Gernot Meier berichtete von den Aktivitäten der badischen Landeskirche in Sachen Digitalisierung und mahnte entsprechenden Ressourceneinsatz an; Wolfgang Loest tat das aus lippischer Perspektive. Frederike van Oorschot wagte eine erste Systematisierung, wie digitale Methoden in die wissenschaftliche Theologie integriert werden können. Denn der Medienwandel verändere die Vorstellungen von traditionellen theologischen Begriffen, die deshalb neu formuliert werden müssten. Und neue Technologien bräuchten neue Frames und Narrative.
Doch danach ging es erst richtig los und die Leeräume füllten sich. Vernetzung im allerbesten Sinne geschah. Jede/r hatte etwas aus dem eigenen digital-ethisch-theologischen Alltag zu berichten. Und (fast) jede/r hörte aufmerksam zu. Jan Peter Grevel berichtete aus dem württembergischen Digitalisierungsprojekt vom Diskursformat EDS (Ethic Design Sprint). Wir Westfalen gaben Einblick in die Probleme der digitalen Hauptvorlage zu Kirche und Migration mit dem Motto #erlebtvielfalt. Die schon drei Volumes (davon zwei zur Digitalisierung) umfassende Zeitschrift für explorative Theologie „cursor_“ wurde präsentiert. Birte Platow stellte ihre spannende Studie „Selbstwahrnehmung und Ich-Konstruktion im Angesicht von Künstlicher Intelligenz“ vor, in der es u.a. um das Verhältnis von Künstlicher Intelligenz und Gott geht. Und das waren nur einige Ausschnitte, die ich wahrnehmen konnte.
Und das kirchenleitende Grußwort? Horst Gorski bezog sich auf Niklas Luhmann und dessen These, dass jedes neue Medium überschießende Energie bringe, die erstmal ins Chaos führt. Der Buchdruck habe in der Reformation dazu beigetragen, das Verständnis des Evangeliums zu verändern. Der Computer sei dabei, den Diskurscode von wahr _ nicht wahr auf meine Behauptung _ deine Behauptung zu verändern. (Wobei ich ja mit Marc-Uwe Klings „Känguru“ glaube, dass der neue Code witzig_nicht witzig ist. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte. Zurück zu #nedika2020.)
In drei Arbeitsgruppen wurden die Themen gebündelt:
– Kirche, Ekklesiologie und Digitalisierung,
– Anthropologie und Gottesbild, sowie
– Öffentliche Kommunikation und Gesellschaft.
Und nun geht’s weiter: Theologische Workshops sind geplant. Doktoranden und Habilitanden werden sich zu einem Kolloquium treffen. Kontakte in die Wirtschaft sollen ausgebaut werden. Landeskirchen wollen voneinander lernen. Und alle, die bei #nedika2020 dabei waren, nehmen viel Schwung mit von Kassel nach Hause. Denn, wie es ein Teilnehmer zum Abschluss formulierte: „Wir sind viele!“
PS.
Ein Hashtag. Das klingt erstmal trendy. Und so sagt die Moderation zu Beginn der Veranstaltung auch, der dazugehörige Hashtag „trende“ bereits bei Twitter. Da bin ich aber nicht. Bei Instagram bin ich. Da gibts unter dem Hashtag nedika2020 immerhin 7 Bilder mit maximal 35 „Likes“. Ist das schon ein wirklicher Trend?
Predigt im Kantatengottesdienst
in Siegen-Weidenau
am 02.02.2020
„Alles, alles nur nach Gottes Willen!“ Das ist nicht nur der Titel, sondern auch die Kernaussage der großartigen Bachkantate, die heute im Mittelpunkt dieses Gottesdienstes steht. Einiges ist dazu in der Einführung schon gesagt worden. Und auch die Predigt wird sich mit dieser Kernaussage beschäftigen: „Alles nur nach Gottes Willen!“
In meiner Textfassung hat die Kantate 72 insgesamt 50 Zeilen. 21mal kommt Gottes Wille darin vor, fulminant gleich am Anfang, der ja im Grunde ein Lobpreis, ein Gloria ist – diesen Chor hat Bach ja später zum Gloria in seiner Messe in g-Moll weiterverarbeitet (BWV 235). Am häufigsten kommt der Wille Gottes im Rezitativ vor, das wir schon gehört haben: „Herr, so du willst“ ist das leitende Motiv hier. 9mal erklingt dieser Satz. Wenn man will, kann man hier in die Bachsche Zahlenmystik einsteigen. Was bedeuten diese Zahlen? Denn wir können davon ausgehen, dass Bach als Komponist und Salomo Franck als Texter das „Herr, so du willst“ nicht zufällig so häufig wiederholt haben.
Aber ich will dieser Spur nicht folgen, sondern mich mit Ihnen zusammen eher auf den Weg machen, dem Willen Gottes und seiner Bedeutung zu folgen. Denn auch in den Teilen der Kantate, die nach der Predigt folgen werden, spielt der Wille Gottes die zentrale Rolle. Allerdings wird hier zunächst die zweite Person der Dreifaltigkeit in das Zentrum des göttlichen Willens gestellt: der Heiland Jesus Christus will etwas tun, heißt es im zweiten Rezitativ und in der folgenden Arie. Der Schlusschoral, dessen Text Bach von Markgraf Albrecht von Preußen übernommen hat, nimmt dann beides auf, bis es in der letzten Zeile heißt, dass Gott den Gläubigen nicht verlassen will.
Wie gesagt, 21mal kommt in der Kantate der Wille Gottes vor. Und der Wille des Menschen? 1mal. Und selbst diese Erwähnung des menschlichen Willens ist sofort auf Gott bezogen: Gerade eben in der Alt-Arie hieß es: „Mit allem, was ich hab und bin, will ich mich Jesu überlassen“.
Der Wille des Menschen ist sein Himmelreich, heißt es im Sprichwort. Bei Bach hören wir, dass das Himmelreich mit dem Willen des Menschen nichts zu tun hat, sondern dass hier der Wille Gottes 100%ig entscheidend ist. Wirklich zu 100%. „Alles“ war das erste Wort des Chores zu Beginn. „Mit allem, was ich hab und bin“, soll ich mich Jesus überlassen, ermahnt mich die Arie. Und im Schlusschoral geschehe Gottes Wille „allezeit„.
Bach und Franck zeigen sich hier als gute evangelische Theologen, weil sie sich auf zentrale Aussagen des neuen Testaments beziehen.
Die vorgeschriebene Bibellesung für den Sonntag der Uraufführung am 27. Januar 1726 stand im 8. Kapitel des Matthäus-Evangeliums. Es ist die Geschichte zweier Heilungen. Zunächst kommt ein Aussätziger zu Jesu, „betete ihn an und sprach: Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen. Und Jesus streckte die Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will’s tun; sei rein! Und sogleich ward er von seinem Aussatz rein.“ Nachdem der Heiland auf diese Weise seine Gnadenhand ausgestreckt hat, tritt der berühmte Hauptmann von Kapernaum auf und sagt: „Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen. Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen.“ Und indem er es will, ist das Wichtigste schon geschehen.
Überhaupt spielt der Wille Gottes im Evangelium nach Matthäus immer wieder eine zentrale Rolle: „Dein Wille geschehe!“, so lehrt Jesus im Vaterunser beten (Mt 6,10). Und ein Kapitel weiter lesen wir in der Bergpredigt: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen meines Vaters im Himmel tun“ (Mt 7,20-21). Dass der Wille Gottes geschieht, ist demnach zwar unsere Aufgabe, aber zunächst etwas, worum wir Gott bitten sollen. Im Vaterunser geht die Bitte ja weiter „…wie im Himmel, so auf Erden.“ Ob Gottes Wille im Himmel befolgt, davon können wir zwar ausgehen, aber wir wissen es nicht. Was wir wissen: Hier auf der Erde geschieht dies erst andeutungsweise und sehr bruchstückhaft.
Jesus geht uns dabei als Beispiel voran bis zum Letzten, wenn er kurz vor seinem Tod bittet: „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39).
So weit, so klar. Aber was heißt das nun konkret, wenn wir Christen darum bitten, dass Gottes Wille allezeit geschehe? Was ist denn der Wille Gottes genau? Das ist ja nicht immer so einfach zu erkennen.
Ich nehme Sie für ein Beispiel mit auf eine kurze Reise in die Vergangenheit. Nicht ins Jahr 1726 nach Leipzig, als die Kantate uraufgeführt wurde, sondern ins Jahr 1095. Wir reisen nach Clermont in Frankreich, wo – wie der Zufall es will – gerade ein Konzil stattfindet. Eine lateinische Bischofssynode ist zusammengekommen und Papst Urban II. ist ihr Vorsitzender. Man ist mit Problemen des innerkirchlichen Alltags beschäftigt, zum Beispiel mit dem Zölibat. Das war also schon damals ein Thema, nicht nur heute auf dem synodalen Weg der katholischen Kirche. Aber nicht deshalb ist die Synode bekannt geworden, sondern durch den Aufruf des Papstes, die heiligen Stätten im heiligen Land zu befreien. Von den muslimischen Seldschuken, die Israel und Jerusalem besetzt hatten. Papst Urban II. ruft dagegen zum ersten Kreuzzug auf. Und die Synodalen, die 14 Erzbischöfe, 225 Bischöfe und mehr als 400 Äbte reagieren mit einem berühmt gewordenen Ruf: „Deus lo vult! Gott will es!“
Gott will es! Davon waren die Synodalen 1095 voll überzeugt. Wir heute sind das nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Wir halten die Kreuzzüge für eines der dunkelsten Kapitel der Kirchengeschichte. Wir glauben nicht, dass sie Gottes Willen entsprochen haben: „Deus non vult! Gott will es nicht!“ Fazit: Nur weil irgendjemand, sei es ein Papst, ein Erzbischof oder auch nur ein Landeskirchenrat behauptet: „Dies ist Gottes Willen“, muss es noch lange nicht auch wirklich Gottes Willen sein.
Wie können wir erkennen, was Gottes Willen ist?
Dietrich Bonhoeffer hat sich in seiner Ethik (DBW Bd. 6, S. 322ff.) dazu einige Gedanken gemacht, die mir hier weitergeholfen haben:
„Der Wille Gottes kann sehr tief verborgen liegen unter vielen sich anbietenden Möglichkeiten. Weil er auch kein von vornherein festliegendes System von Regeln ist, sondern in den verschiedenen Lebenslagen ein jeweils neuer und verschiedener ist, darum muss immer wieder geprüft werden, was der Wille Gottes sei. Herz, Verstand, Beobachtung, Erfahrung müssen bei dieser Prüfung miteinanderwirken.“
Aber wir müssen aufpassen, dass Herz, Verstand, Beobachtung und Erfahrung nicht mit dem Willen Gottes verwechselt werden. Und vor allem sollen wir nicht so tun, als wüssten wir ein für allemal, was Gottes Willen ist.
Erneut Bonhoeffer: „Weil ja das Wissen um Jesus Christus, weil … die Erneuerung, die Liebe, und wie man es immer ausdrücken mag, etwas lebendiges ist und nicht etwas ein für allemal Gegebenes, Feststehendes, Inbesitzgenommenes, darum entsteht mit jedem neuen Tag die Frage, wie ich heute und hier und in dieser Situation in diesem neuen Leben mit Gott, mit Jesus Christus bleibe und bewahrt werde.“
Wenn wir Gottes Willen erkennen wollen, müssen wir also jeden Tag neu danach fragen. Und seien wir misstrauisch gegenüber denen, die allzu vollmundig behaupten, sie wüssten ein für allemal den Willen Gottes. Und damit unterstellen, dass die anderen das nicht wüssten. Vielleicht haben sie nur die Eingebungen ihres Herzens oder die Überzeugungen ihres Verstandes für Gottes Willen gehalten. Vielleicht haben sie die Lebendigkeit und Menschenfreundlichkeit des Gottes unterschätzt, mit dessen angeblichem Willen sie ihre eigenen Überzeugungen untermauern wollten.
Es geht weniger darum, vollmundig zu behaupten, den Willen Gottes zu kennen. Es geht eher darum, den Willen Gottes zu tun. In seinem Leben zeigt Jesus auf, was die Orientierung an Gottes Willen bedeutet. Er zeigt das, wenn er Menschen das Leben rettet. Er zeigt das, wenn er sie gesund macht. Er zeigt das, wenn er Ausgestoßene in die Gemeinschaft aufnimmt und mit ihnen isst und trinkt. Er zeigt das, wenn er lebensfeindliche Regeln aufhebt, damit Menschen frei werden und leben können.
All‘ das heißt, sich an Gottes Willen zu orientieren – und das sind lauter gute Dinge, die die Welt schöner machen und den Menschen zu einem besseren Leben helfen. In der Nachfolge Jesu die Welt schöner machen und den Menschen zu einem besseren Leben helfen, das ist aber kein Heile-Welt-Idylle, sondern das kann sich auch handfest äußern: In unserem Einsatz für den Schutz der Umwelt und gegen den Klimawandel. In unserer Abwehr jeglicher Diskriminierung von Menschen nach ihrer sexuellen Orientierung. In unserem Beharren darauf, dass man keine Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt. Punkt.
Und in all‘ diesen Formen unserer Nachfolge können wir darauf hoffen, dass Gott sein Versprechen hält, das in den letzten Zeilen der heutigen Bachkantate so formuliert wird:
„Wer Gott vertraut, wer auf ihn baut, / den will er nicht verlassen.“
Dann können wir sie mit ganzem Herzen hören, mit ganzer Seele in uns aufnehmen und mit ganzem Gemüt mitsingen.
Amen.
BWV 72 | Alles nur nach Gottes Willen |
Text 1-5: Salomo Franck 1715; 6: Markgraf Albrecht von Preußen 1547 |
Uraufführung 27.
Januar 1726, Leipzig |
1. Coro | Alles nur nach Gottes Willen, So bei Lust als Traurigkeit, So bei gut als böser Zeit. Gottes Wille soll mich stillen Bei Gewölk und Sonnenschein. Alles nur nach Gottes Willen! Dies soll meine Losung sein. |
2. Recitativo e Arioso
A | O selger Christ, der allzeit seinen Willen In Gottes Willen senkt, es gehe wie es gehe, Bei Wohl und Wehe. Herr, so du willt, so muss sich alles fügen! Herr, so du willt, so kannst du mich vergnügen! Herr, so du willt, verschwindet meine Pein! Herr, so du willt, werd ich gesund und rein! Herr, so du willt, wird Traurigkeit zur Freude! Herr, so du willt, und ich auf Dornen Weide! Herr, so du willt, werd ich einst selig sein! Herr, so du willt, – lass mich dies Wort im Glauben fassen Und meine Seele stillen! – Herr, so du willt, so sterb ich nicht, Ob Leib und Leben mich verlassen, Wenn mir dein Geist dies Wort ins Herze spricht! |
3. Aria A | Mit allem, was ich hab und bin, Will ich mich Jesu lassen, Kann gleich mein schwacher Geist und Sinn Des Höchsten Rat nicht fassen; Er führe mich nur immer hin Auf Dorn- und Rosenstraßen! |
4. Recitativo B | So glaube nun! Dein Heiland saget: Ich wills tun! Er pflegt die Gnadenhand Noch willigst auszustrecken, Wenn Kreuz und Leiden dich erschrecken, Er kennet deine Not und löst dein Kreuzesband. Er stärkt, was schwach, Und will das niedre Dach Der armen Herzen nicht verschmähen, Darunter gnädig einzugehen. |
5. Aria S | Mein Jesus will es tun, er will dein Kreuz versüßen. Obgleich dein Herze liegt in viel Bekümmernissen, Soll es doch sanft und still in seinen Armen ruhn, Wenn ihn der Glaube fasst; mein Jesus will es tun! |
6. Choral | Was mein Gott will, das g’scheh allzeit, Sein Will, der ist der beste, Zu helfen den’n er ist bereit, Die an ihn glauben feste. Er hilft aus Not, der fromme Gott, Und züchtiget mit Maßen. Wer Gott vertraut, fest auf ihn baut, Den will er nicht verlassen. |
A performance by the Bach Society of Minnesota, Paul Boehnke conducting.
Wolfgang Huber, Dietrich Bonhoeffer. Auf dem Weg zur Freiheit. Ein Porträt, C.H. Beck Verlag München 2. Aufl. 2019, ISBN 9783406731372, 336 Seiten, gebunden, 26,95€
Wolfgang Huber hat ein großartiges Buch über Dietrich Bonhoeffer geschrieben. Es ist klug und verständlich zugleich, sowohl historisch präzise als auch aktuell deutend; es verbindet Grundwissen über Dietrich Bonhoeffer mit neuen Deutungen seiner Theologie – und nicht zuletzt lässt es sich auch vor dem Hintergrund von Wolfgang Hubers eigenem Wirken als Theologieprofessor, Bischof und EKD-Ratsvorsitzender lesen. Das erhellt vielfach auch die gegenwärtige Situation von evangelischer Theologie und Kirche in Deutschland.
Huber verhehlt nicht, dass Bonhoeffer für ihn „ein Vorbild“ (34) ist, weil sein Lebenswerk „zu einem der stärksten theologischen Impulse, die aus dem vergangenen Jahrhundert in unsere Gegenwart hinüberwirken“, wurde. Und so ist seine Darstellung von einer tiefen Sympathie durchzogen, ohne unkritisch naiv zu sein; Huber ist dabei gleichzeitig Teil der Wirkungsgeschichte Bonhoeffers und ihr Gegenüber.
Auf schwungvollen 366 Seiten zeichnet Huber ein Porträt, das auf der Grundlage der Biographie in 12 Kapiteln das Denken und Leben Dietrich Bonhoeffers vorstellt und kommentiert.
Nach einem „Prolog: Wer war Dietrich Bonhoeffer?“ und einem Kapitel zu den „Bildungswegen“ des Protagonisten folgen 8 Kapitel zu zentralen Themen der Bonhoefferschen Theologie: „Die Kirche als Vorzeichen vor der Klammer / Billige oder teure Gnade / Die Bibel im Leben und in der Theologie / Christlicher Pazifismus / Widerstand mit theologischem Profil / Mut zur Schuld / Verantwortungsethik / Kein Ende der Religion“, bevor nach einem Schlenker über die „Polyphonie des Lebens“ (in dem es zumeist um Bonhoeffers Verhältnis zur Musik geht) ein „Epilog“ festhält, „was bleibt“.
An drei exemplarischen Punkten sei dies ausgeführt (viele weitere könnten benannt werden):
– Bonhoeffers Dissertation „Sanctorum Communio“ aus dem Jahr 1927 wird von Huber zunächst in ihrem theologiegeschichtlichen Kontext eingeführt, wobei ein quasi nebenbei ein fundierter und gleichzeitig allgemeinverständlicher Durchgang durch das Kirchenverständnis von Schleiermacher, Harnack und Dibelius (vgl. 61-67) entsteht. Dann zeichnet Huber die vier von Bonhoeffer unterschiedenen Kirchentypen konzentrisch nach: Im äußersten Kreis die Taufgemeinde in ihrer volkskirchlichen und in ihrer missionskirchlichen Ausprägung, die Predigtgemeinde im mittleren Kreis und im innersten Kreis die „Abendmahlsgemeinde“ als „Bekennergemeinde“ (75). Damit macht Bonhoeffer in Hubers Darstellung die Gegenüberstellung von Volkskirche und Freiwilligkeitskirche obsolet, die auch heute noch vielfach die Debatte bestimmt.
– Vielzitiert ist Bonhoeffers Satz aus dem Jahr 1944, die Kirche sei „nur Kirche, wenn sie für andere da ist“. Hier befreit Huber Bonhoeffer aus der Umarmung derjenigen, die in dieser Formulierung die „Einseitigkeit ihres aktivistischen Tons“ entweder nicht wahrnehmen oder übertreiben. Huber betont: „Demgegenüber ist festzuhalten, dass die Kirche eine Kirche mit anderen ist, bevor sie eine Kirche für andere sein kann“ (85). Parallel dazu weist er bei seiner Darstellung der Bonhoefferschen Gefängnisbriefe die oft überzeichnete gesellschaftspolitische Deutung von „Widerstand und Ergebung“ zurück, indem er die Briefe in ihrer biographischen Situation 1944 verortet. So sei damit „nicht der politische Widerstand, sondern die innere Revolte gegen das mit der Inhaftierung verbundene Schicksal gemeint“ (166).
– Im Gefängnis dachte Bonhoeffer darüber nach, wie und warum ihm manche religiösen Verhaltensweisen und Denkformen problematisch wurden. Dies führte ihn zu Überlegungen, die theologisch kühn nach vorne denken: „Wir gehen einer völlig religionslosen Zeit entgegen.“ Huber zeigt die „historisch identifizierbare Problemkonstellation“ (241) auf, in der dieser Satz entstand. Er verbindet sie mit den soziologischen, theologischen und historischen Ausführungen zur Religion in den anderen Schriften Bonhoeffers und warnt deshalb davor, diese Aussagen absolut zu setzen. Dieser Gefahr seien manche westdeutschen Vertreter von Bonhoeffers Rezeptionsgeschichte erlegen: „Die Aussagen über die religionslos gewordene Welt wurden nicht selten als Einladung zur Selbstsäkularisierung der Kirche missverstanden“ (290). Demgegenüber hält Huber schon in der Überschrift des Kapitels programmatisch fest: „Kein Ende der Religion“!
„Was bleibt“? Natürlich sind in der Wirkungsgeschichte prägend „der zugeschriebene Status eines Märtyrers“ (279), die postumen Veröffentlichungen – vor allem die „Ethik“ sowie die Gefängnisbriefe „Widerstand und Ergebung“ – und die Rezeption in der weltweiten Ökumene. Als „Kronzeuge von Protest und Widerstand“ (285) diente und dient Bonhoeffer für diejenigen, die „die Frage der politischen Resistenz, die Verantwortung für den Frieden und die öffentliche Rolle der Kirche“ thematisieren. Hier setzt Huber manchen kritischen Akzent, etwa wenn er „die Neigung, einen Märtyrer für die eigene Position zu instrumentalisieren“ (283), benennt. Er selbst schließt sein Porträt mit dem Ende 1944 im Gefängnis verfassten Neujahrsgedicht Bonhoeffers, das unter dem Titel „Von guten Mächten“ vielfache Rezeption und Vertonung erfahren hat. So kulminiert das Buch in den tröstlichen Versen „Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, / und ganz gewiss an jedem neuen Tag“.
In seinen Ausführungen zu Bonhoeffers Religions- und Kirchenverständnis formuliert Huber en passant, aber sicher nicht zufällig, die zentrale Aufgabe für Theologie und Kirche der Gegenwart, nämlich, „das Glaubenswissen auch öffentlich auf neue Weise zum Thema zu machen“ (254). Mit diesem Buch hat er erneut einen Beitrag dazu geleistet. Es ist definitiv lesenswert!
Rezension für das Kirchliche Amtsblatt der Evangelischen Kirche von Westfalen, Nr. 1 vom 31.01.2020, 7-8.
Albert Frey, Matthias Nagel, Fritz Baltruweit und Timo Böcking auf einer Bühne.
Ein Video von Bernd Becker (Unsere Kirche).
Zum Hintergrund:
Fachtagung „Praise’n’Worship, NGL & Co.“ über die Kirchenmusik der Zukunft
„Die Gemeinde braucht singbare Lieder“
Die Kirchenmusik muss breiter aufgestellt werden. Das ist das Ergebnis einer Fachtagung der Evangelischen Kirche von Westfalen. Moderne Formen wie Neues Geistliches Lied, Gospel und Worship haben im Gemeindealltag längst ihren Platz erobert. Die Ausbildung von Kirchenmusikerinnen und -musikern muss diesen Bereich neben der traditionellen klassischen Musik sehr viel stärker berücksichtigen.
„Es ist an der Zeit, das Schubladendenken aufzugeben“, sagte der Leiter des Instituts für Aus-, Fort- und Weiterbildung der westfälischen Kirche, Peter Böhlemann, am Donnerstag in Witten. „Nur wenn sie gemeinsam auftritt, hat die Kirchenmusik eine Zukunft“, betonte auch der in der Landeskirche zuständige Dezernent, Landeskirchenrat Vicco von Bülow. Die Evangelische Kirche von Westfalen sieht er dabei auf einem guten Ergebnis: Mit der Evangelischen Popakademie Witten und der Ausbildung von Popkantorinnen und -kantoren habe man die Weichen in die richtige Richtung gestellt.
Mehr als 100 Pfarrerinnen und Pfarrer, Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker sowie interessierte Gemeindemitglieder diskutierten im Lukaszentrum Witten unter dem Titel „Praise’n’Worship, NGL & Co.“ die Frage: „Welche Popularmusik braucht die Gemeinde?“. Die Antwort war eindeutig: Die Gemeinde braucht singbare Lieder, es macht dabei keinen Unterschied, aus welcher Zeit oder Kategorie sie stammen.
Referenten und Teilnehmer berichteten, wie sehr Richtungskämpfe und Abgrenzungen die Entwicklung von Gottesdiensten und Gemeinden blockieren können. Neben dem Streit, ob der klassische Orgelchoral oder moderne Bandmusik geeigneter sei, kämen auch Auseinandersetzungen um neuere Formen der Musik hinzu. So sehe sich die Worshipmusik, die an vielen Stellen für volle Kirchen sorgt, oft innerkirchlicher Kritik ausgesetzt. „Die Lobpreisszene verengt das biblische Gottesbild auf den Vater und König, und sie hat die Tendenz, den christlichen Glauben ganz auf das individuelle Wohlgefühl im Moment der Anbetung zu reduzieren“, bemängelte etwa der Publizist Andreas Malessa. Vielen Kirchenmusikern und Pfarrerinnen sei sie auch musikalisch zu simpel in Aufbau und Textform. „Da wird ein Vers dreimal wiederholt und nur ein Wort dabei ersetzt“, so Malessa.
Neues geistliche Lieder stammt aus den 60ern
Allerdings seien auch andere, vermeintlich moderne Formen der Kirchenmusik für weite Teile der Bevölkerung längst veraltet. „Das sogenannte neue geistliche Lied stammt aus den 60ern, die Musik, die wir im Radio oder Internet hören, ist längst weitergegangen“, erklärte Experte Malessa. Notwendig sei es aber nicht, derartige Ansätze wie Worship, Gospel oder NGL aufzugeben, sondern sie weiterzuentwickeln. Außerdem werde es immer wichtiger, Musik nicht nur vorzutragen, sondern die Gemeinde anzusprechen, ihre Emotionen zu wecken und sie zum Mitsingen zu bringen, so Malessa.
An dieser Stelle betonten etliche der anwesenden Kirchenmusikerinnen und – musiker, dass ihre Ausbildung sie auf derartige Aufgaben nicht vorbereite. Ansätze wie der Evangelischen Kirche von Westfalen, inzwischen auch Pop-Kantoren auszubilden, seien ein Schritt in die richtige Richtung. Notwendig sei aber, nicht nur Teilzeitstellen, sondern ausreichend 100-Prozentstellen einzurichten. Wo das einer Gemeinde alleine nicht möglich sei, solle man über Kooperationen mit Nachbargemeinden nachdenken. Dabei dürfe auch die Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche kein Tabu sein. (Gerd-Matthias Hoeffchen)

Auf dem Podium diskutierten (v.l.): Andreas Malessa, Kirchenmusikerin Vera Hotten, Prof. Hartmut Naumann, Stefan Glaser (Beauftragter des Bistums Essen), Landeskirchenrat Vicco von Bülow und Musikerlegende Albert Frey. Foto: gmh
Schweizer Worship Kollektiv
Aus Gründen habe ich mir in den letzten Tagen eine Reihe von Musikvideos aus dem Worship-Bereich angeschaut und angehört. Nicht alle so ganz mein Geschmack. Aber das hier fetzt richtig – das „Schweizer Worship Kollektiv“. Mir vorher unbekannt, aber guuuut.
Schweizer Worship Kollektiv
Ich säge’s zu mir sälber
(feat. Céline Bührer)
Und das Ganze auf Hochdeutsch:
Vers
Ich sag’ es meiner Seele
Der Herr ist gut, er lässt mich nie im Stich
Ich sag es meiner Zukunft
Der Herr ist treu,
er hält, was er verspricht
PreChorus 1
Den Gefühlen mach’ ich klar
dass ich im Glauben vorwärts geh’
Dem Verstand rufe ich zu:
Gott, der Herr wird zu mir stehn
Chorus
Lob’ den Herrn – in deinen Zweifeln
Ehre ihn – im Treubleiben
Schau auf ihn – wenn du nicht weitersiehst
Preise ihn – in deinen Kämpfen
Dank Ihm laut – trotz den Dämpfern
Lob’ den Herrn, meine Seele – jetzt!
PreChorus 2
Meine Angst weis’ ich zurück
Weil Gottes Hand mich sicher lenkt
Meinen Sorgen mach’ ich klar
Dass mein Versorger an mich denkt
Warum heißt der Sonntag „Sonntag“?
Warum heißt der Sonntag „Sonntag“?
Das deutsche Wort „Sonntag“ bedeutet wörtlich genommen „Tag der Sonne“. Dies geht zurück auf die alten Germanen, die die griechisch-römisch Benennung der Wochentage nach den Planetengöttern übernahmen und umwandelten. Neben der Sonne (-> Sonntag) waren dies der Mond (->Montag), Thingus (->Dienstag), Wotan (->engl. Wednesday – das deutsche Mittwoch bedeutet „Mitte der Woche“), Donar (->Donnerstag), Freia (->Freitag), Saturn (->engl. Saturday). Das deutsche Wort „Samstag“ kommt vom jüdischen Sabbat. Viele der Traditionen, die dem Sonntag zugeordnet werden, haben ihre Wurzeln im Sabbat.
Woher stammt der Sabbat?
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ – so heißt es im ersten Vers der Bibel (1. Mose 1,1). Das Ende des Schöpfungswerks am siebten Tag ist der Sabbat, zu dem es in 1. Mose 2,2 heißt: „Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. 3 Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte.“
Von der Schöpfung und ihrem Abschluss im Sabbat ergab sich die Aufforderung an den Menschen, den Sabbat als Ruhetag Gottes dadurch zu heiligen, dass sie ihn ebenfalls als Ruhetag begehen. So heißt es in den Zehn Geboten, wie sie im 2. Buch Mose festgehalten sind (2. Mose 20,8-11): „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn.“
Eine andere Begründung erfuhr das Sabbatgebot im 5. Buch Mose. In der dort festgehaltenen Fassung der Zehn Gebote wurde auf den Auszug aus Ägypten zurückgeblickt und damit dem Sabbat eine soziale Dimension zugewiesen (5. Mose 5,12-15): „Den Sabbattag sollst du halten, dass du ihn heiligest, wie dir der HERR, dein Gott, geboten hat. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tag ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Rind, dein Esel, all dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt, auf dass dein Knecht und deine Magd ruhen gleichwie du. Denn du sollst daran denken, dass auch du Knecht in Ägyptenland warst und der HERR, dein Gott, dich von dort herausgeführt hat mit mächtiger Hand und ausgerecktem Arm. Darum hat dir der HERR, dein Gott, geboten, dass du den Sabbattag halten sollst.“
Wie verhielt sich Jesus zum Sabbat?
In der Bergpredigt hat Jesus deutlich gemacht, dass er nicht gekommen sei, um das alttestamentliche Gesetz Gottes oder die Propheten aufzulösen, und gesagt: „Ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen“ (Matthäus 5,17). Viele Berichte in den Evangelien zeigen jedoch auf, dass es bei der Auslegung und Befolgung der Gebote zu Konflikten zwischen Jesus und den „Schriftgelehrten und Pharisäern“ kam. Ein Beispiel ist die Geschichte über das Ährenraufen am Sabbat (Markus 2,23-28): „Und es begab sich, dass er am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.“ Damit wurde die Sabbatheiligung in besonderer Weise in den Dienst des Menschen gestellt.
Wie wurde aus dem Sabbat der Sonntag?
Die ersten Christen und Christinnen stammten aus dem Judentum und begingen deshalb zunächst den Sabbat. Als das Christentum sich über die ganze Welt ausbreitete, kamen jedoch mehr und mehr Christen nicht aus dieser Tradition. Dagegen wurde der auf den Sabbat folgende Tag, der Sonntag, zum wichtigsten Tag der christlichen Woche. Nach dem Zeugnis der Evangelien galt er als Tag der Auferstehung Jesu Christi (vgl. Markus 16,2). Die Christen versammelten sich an diesem ersten Tag der Woche zu abendlichen Mahlfeiern, um der Auferstehung ihres Herrn zu gedenken (vgl. Lukas 24,30-43; Johannes 20.1). Im 2. Jahrhundert finden sich dann weitere eindeutige Belege für einen christlichen Sonntagsgottesdienst. Unter Kaiser Konstantin wurde im Jahr 321 die Feier des Gottesdienstes mit dem arbeitsfreien Ruhetag am Sonntag verbunden; in der Folge dessen war gegen Ende des 4. Jahrhunderts der Sonntag als christlicher Ruhetag etabliert. Im Mittelalter galt der sonntägliche Gottesdienstbesuch als Kirchengebot.
Wie verhielt sich die Reformation zum Sonntag?
Die evangelischen Kirchen kannten keine Pflicht zum sonntäglichen Gottesdienstbesuch, sondern betonten die Freiheit, die den Menschen am Sonntag das Hören des Wortes Gottes und für Mensch und Vieh eine Ruhepause ermögliche. Für Luther spielten dabei auch sozialethische Überlegungen eine wichtige Rolle. In seinem Kleinen Katechismus (1529) formulierte er in seiner Auslegung des Feiertagsgebots: „Du sollst den Feiertag heiligen. – Was ist das? – Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir die Predigt und sein Wort nicht verachten, sondern es heilig halten, gerne hören und lernen.“ Der Heidelberger Katechismus, der für den reformierten Protestantismus in Deutschland steht, formulierte als Antwort auf die Frage „Was will Gott im vierten Gebot?“: „Gott will zum einen, dass das Predigtamt und die christliche Unterweisung erhalten bleiben und dass ich besonders am Feiertag, zu der Gemeinde Gottes fleißig komme. Dort soll ich Gottes Wort lernen, die heiligen Sakramente gebrauchen, den Herrn öffentlich anrufen und in christlicher Nächstenliebe für Bedürftige spenden. Zum anderen soll ich an allen Tagen meines Lebens von meinen bösen Werken feiern [=ablassen] und den Herrn durch seinen Geist in mir wirken lassen. So fange ich den ewigen Sabbat schon in diesem Leben an“ (Heidelberger Katechismus, Frage 103).
Welche Entwicklung nahm der Sonntag in der Neuzeit?
Durch die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts wurden die Arbeitszeiten auch auf den bisher arbeitsfreien Sonntag ausgedehnt. Erst 1891 wurde Sonntagsarbeit wieder verboten. Die Weimarer Reichsverfassung 1919 schützte den Sonntag als „Tag der Arbeitsruhe und er seelischen Erhebung“; diese Bestimmung wurde auch in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Nachdem der Sonntag alter Tradition gemäß als erster Tag der Woche angesehen wurde, beginnt seit 1976 in Deutschland die Woche mit dem Montag, so dass der Sonntag als Teil des Wochenendes die Woche abschließt.
Zwar ist die Sonntagsruhe heute gesetzlich geschützt, doch ist er als arbeitsfreier Tag zunehmend gefährdet. Immer mehr Ausnahmen werden genehmigt. Immer häufiger wird gefordert, dass die Menschen auch am Sonntag die Möglichkeit haben sollen einzukaufen. Neben wirtschaftlichen Interessen haben veränderte Freizeit- und Konsumgewohnheiten zur Folge, dass die bisherigen Strukturen des Sonntags als Tag des christlichen Gottesdienstes wie auch als gemeinsamer Tag der Erholung für alle Menschen sich massiv wandeln.