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Welche Folgen ein Kirchenaustritt haben kann

Die Zeitung „Die Glocke“ aus Oelde hat die Frage gestellt, welche Folgen es hat, wenn man aus der Kirche austritt. Und mich als Vertreter der Evangelischen Kirche von Westfalen dazu befragt. Der Artikel von Benedikt Paweltzik vom 25.03.2022 ist hier online zu lesen.

Die ausführlichen Fragen und Antworten:

1.) Darf ein Kind getauft werden, auch wenn die Eltern nicht mehr in der Kirche sind

Wir freuen uns über jedes Kind, das getauft wird. Allerdings soll bei der Taufe eines Kindes gewährleistet sein, dass es auch im christlichen Sinne erzogen wird. Daher ist eine Taufe hier nur mit Genehmigung des Presbyteriums der Kirchengemeinde möglich, wenn bei der Taufe evangelische Christinnen und Christen (als Paten) benannt werden, die für die christliche Erziehung des Kindes sorgen.

2.) Ist es möglich, eine kirchliche Trauung durchzuführen ohne Kirchenmitgliedschaft?

Wenn eine/r der beiden Ehepartner Mitglied der evangelischen Kirche ist, kann eine kirchliche Trauung gefeiert werden.

3.) Kann ein aus der Kirche ausgetretener Mensch ein kirchliches Begräbnis bekommen?

Mitglieder der evangelischen Kirche können kirchlich bestattet werden. Wenn es der Pfarrerin / dem Pfarrer aus seelsorglichen Gründen angezeigt scheint, kann ausnahmsweise auch ein Mensch ohne Kirchenzugehörigkeit kirchlich bestattet werden. Dies geht allerdings nicht, wenn dieser zu Lebzeiten ausdrücklich seine Ablehnung einer solchen Bestattung kundgetan hat.

4.) Ist es möglich, nach dem Austritt wieder in die Kirche einzutreten?

Selbstverständlich ist es möglich, wieder in die Kirche einzutreten. Dafür ist es sinnvoll, das Gespräch mit der Pfarrerin oder dem Pfarrer der Kirchengemeinde vor Ort zu suchen, wo dann alles weitere veranlasst wird. In einigen Kirchenkreisen gibt es auch zentral gelegene Eintrittsstellen.

5.) Darf man als Nicht-Mitglied am Abendmahl teilnehmen?

Alle Getauften sind zum Abendmahl eingeladen, denn Taufe und Abendmahl stehen in einer engen Verbindung. Wer nicht Mitglied der Kirche ist, sich aber durch Jesus Christus eingeladen weiß und auf dem Weg zur Taufe ist, kann am Abendmahl teilnehmen. In diesem Fall kann ein vorheriges Gespräch mit der Pfarrerin / dem Pfarrer hilfreich sein.

6.) Dürfen Kinder von Ausgetretenen eine konfessionelle Schule/Kita besuchen?

Selbstverständlich können alle Kinder eine evangelische Schule oder eine evangelische Kindertagesstätte besuchen. Voraussetzung ist, dass sie auch am religiösen Leben in der Einrichtung teilnehmen und dass die Eltern die inhaltlichen und pädagogischen Grundsätze der Schule bzw. der Kita mittragen.

7.) Können Ausgetretene bei kirchlichen Trägern arbeiten?

Je nach Beruf ist das möglich, wenn sie das Leitbild, bzw. die inhaltlichen Grundsätze des kirchlichen Trägers akzeptieren und mittragen. Sie können allerdings nicht in Aufgaben der Verkündigung, der Seelsorge oder der religiösen Bildung eingesetzt werden.

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Aktuelle Abendmahlsfragen aus evangelischer Sicht

Vortrag bei der AG Abendmahl der Liturgischen Konferenz, 22.03.2022

0. Einleitung

„Das Sakrament des Heiligen Abendmahls nimmt einen außerordentlichen Stellenwert im evangelischen Gottesdienst ein.“ So heißt es in den 2020 verabschiedeten Abendmahlsrichtlinien der Evangelischen Kirche von Westfalen. Und weil das nicht nur in Westfalen so ist, ist es gut, wenn wir uns in der Liturgischen Konferenz in einem Ausschuss dazu verständigen, was das denn nun heißt. Und zwar in der für die LK typischen Art des Dialogs zwischen Professor:innen, Gemeindepfarrer:innen und landeskirchlichen Verwaltungstheolog:innen wie mir. Ich bin also weder in der Position, so intensiv über die Grundlagen des Abendmahls nachdenken zu können wie die universitären Vertreter:innen, noch in der Position, es so regelmäßig vorzubereiten und zu feiern wie die Pfarrer:innen aus den Kirchengemeinden.

So bringe ich nun „aktuelle Abendmahlstfragen aus evangelischer Sicht“ in den ökumenischen Dialog ein. Kundige werden erkennen, dass manche Bezugspunkte zu dem großartigen ökumenischen Text „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ bestehen, auch wenn ich die nicht explizit markiert habe.

Genug der Vorrede. Was sind aus der Sicht eines evangelischen Theologen im Landeskirchenamt in Bielefeld die aktuellen Abendmahlsfragen? Da gibt es durchaus einige wichtige Fragen:

  1. Wer teilt das Abendmahl aus oder verwaltet es?
  2. Wer nimmt das Abendmahl zu sich oder ist dazu zugelassen?
  3. Was oder welche Elemente werden beim Abendmahl ausgeteilt und zu sich genommen?
  4. Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf den Gemeinschaftskelch?
  5. Gibt es ein digitales Abendmahl?
  6. Das Wichtigste zum Schluss

1.
Wer teilt das Abendmahl aus oder verwaltet es?

Die Frage ist noch relativ leicht zu beantworten. Zur Verwaltung des Abendmahls muss man rite vocatus sein, um mit CA XIV zu sprechen. In Westfalen und den anderen EKD-Gliedkirchen gibt es zwei Gruppen von Menschen, die solch eine ordnungsmäße Berufung haben: Die Pfarrerinnen und Pfarrer, die ordiniert werden. In Vorbereitung auf die Ordination auch die Vikarinnen und Vikare. Sowie die Prädikanten und Prädikantinnen, die in Westfalen zur Sakramentsverwaltung beauftragt werden. Die Älteren von uns erinnern sich an die Debatten über das VELKD-Papier „Ordnungsgemäß berufen“ in den Nuller Jahren. Diese Debatte ist nach meinem Eindruck abgeflaut und aus der Herrenhäuser Straße höre ich Signale, dass sich EKD, UEK und VELKD auf eine Einigung zubewegen. Mehr als die Frage „Sollen Prädikanten ordiniert oder beauftragt werden?“ stellt sich derzeit die Frage „Wie können wir gewährleisten, dass Prädikanten nicht nur ordnungsgemäß berufen, sondern auch ordentlich ausgebildet werden? Denn sie werden die kirchliche Verkündigung in den nächsten Jahren schon rein quantiativ mehr und mehr prägen: Derzeit gibt es in Westfalen 1490 ordinierte Pfarrer:innen und 715 beauftragte Prädikant:innen. Die erste Gruppe wird immer kleiner, die zweite immer größer.

2.
Wer nimmt das Abendmahl zu sich oder ist dazu zugelassen bzw. eingeladen?

Die Frage ist schon etwas komplexer. In Westfalen lautete der entsprechende Kirchenordnungsartikel (185) bis zum Jahr 2019: „1 ) Die Zulassung zum Abendmahl kann denen erteilt werden, die über das Sakrament hinreichend unterrichtet worden sind und vor der Gemeinde oder in einer entsprechenden Feier ein Bekenntnis des Glaubens abgelegt haben. ( 2 ) Auf Beschluss des Presbyteriums können getaufte Kinder nach angemessener Vorbereitung vor der Konfirmation in dieser Kirchengemeinde am Abendmahl teilnehmen.“

Dazu ein kleiner Exkurs: Die westfälische Kirchenordnung ist 1953 verabschiedet worden. In ihr spiegeln sich Erfahrungen des Kirchenkampfes. Ich versuche das mal bildlich auszudrücken: Wir hier in der Kirche sitzen in einem Raum und verwalten das uns offenbarte Heilige. Und draußen vor der Tür stehen ganz viele Menschen, wollen rein und irgendwas mit dem Heiligen machen. Es im schlimmsten Fall missbrauchen. Die braunen Horden und die Deutschen Christen zum Beispiel. Also müssen wir einen Türhüter installieren, der kontrolliert, wer rein darf und wer nicht. Das ist die Konfirmation. Denn wer von uns unterrichtet wurde, wer von uns geprüft wurde und wer in einer öffentlichen Feier sein unterrichtetes und geprüftes Glaubensbekenntnis abgelegt hat, der darf rein. Wer konfirmiert ist, hat die Zulassung zum Abendmahl. Wer zum Abendmahl zugelassen ist, hat hier drinnen die kirchlichen Rechte.

Nun sind wir heute in einer anderen Situation als im Kirchenkampf. Vor der Tür stehen gar keine Massen mehr, die unkontrolliert reinwollen. Wenn wir die Kirchentür missionarisch aufmachen, stellen wir fest: Da steht ja gar keiner mehr. Im Gegenteil: Ständig gehen Menschen durch diese Tür hinaus – im letzten Jahr in Westfalen ein Minus von 2,3%. Unser Konfirmandenunterricht heißt schon seit einiger Zeit Konfirmandenarbeit, wird zumeist nicht durch eine Prüfung, sondern durch einen Vorstellungsgottesdienst abgeschlossen und versteht sich weniger als Wissensvermittlung, sondern im Sinne einer kirchlichen Begleitung von Jugendlichen in einer bestimmten Lebensphase. Das hat auch Auswirkungen auf die „Zulassung“ zum Abendmahl. Die Konfirmation ist kein Türhüter für das kirchliche Leben mehr. Nach einem längeren Diskussionsprozess ist sie heute in Westfalen nicht mehr als Zulassungsbedingung zum Abendmahl vorgeschrieben. So heißt es seit 2020 in der westfälischen Kirchenordnung: „Alle Getauften sind zum Abendmahl eingeladen.“ (Art. 185). Damit ist eine lange Debatte zum Abschluss gekommen, die unsere Landessynode spätestens seit Anfang der 1980er Jahre beschäftigt hat: Sind getaufte Kinder zum Abendmahl eingeladen oder nicht? Zwischendurch gab es die typisch westfälische Kompromisslösung, dass das die Entscheidung der Presbyterien vor Ort für ihre je eigene Gemeinde ist. Jetzt gilt es generell in allen Gemeinden. Und nun ist es laut der dazugehörigen Abendmahlsrichtlinien Aufgabe des Presbyteriums, „das Abendmahl so zu gestalten, dass Kinder gut und gerne daran teilnehmen können. Das Abendmahl, an dem Kinder teilnehmen, ist das eine Abendmahl der Gemeinde. Den Kindern soll ein ihrem Alter angemessenes Verständnis des Heiligen Abendmahls ermöglicht werden.“

Im Zusammenhang der Debatte über die Einladung von getauften Kindern zum Abendmahl kam auch die Frage wieder auf, wie es mit der Teilnahme von ungetauften Kindern, ja mit ungetauften Menschen überhaupt sei. Und wie mit der Teilnahme von aus der Kirche ausgetretenen Menschen zu verfahren sei. Keine neue Frage übrigens: Bereits 1994 hatte die Vollversammlung der Leuenberger Kirchengemeinschaft das Problem so beschrieben: „Entsprechend der Ordnung unserer Kirchen ist die Taufe die Voraussetzung für die Teilnahme am Abendmahl … Aufgrund der Urbanisierung und Säkularisierung sowie eines weitgehenden Wegfalls der Anmeldung zum Abendmahl stellen sich jedoch heute zwei Probleme. Zum einen ist nicht mehr überschaubar, wer von den Teilnehmern am Abendmahl getauft ist. Für diesen Fall bieten sich folgende Möglichkeiten an: Die Wiedereinführung der Anmeldepraxis oder ein Hinweis bei der Einladung zum Abendmahl auf die Voraussetzung der Taufe und der Kirchenmitgliedschaft, der dann den Gang zum Abendmahl in die Verantwortung des einzelnen stellt. Diese zweite Möglichkeit erscheint als die angemessenere. Zum anderen erwächst bei Menschen, die neu den Zugang zur Kirche suchen, der Wunsch, auch ohne vorhergehende Taufe am Abendmahl teilnehmen zu können. In diesem Fall gehen wir grundsätzlich davon aus, dass die Aufnahme in die Gemeinde Jesu Christi durch die Taufe den Zugang zum Tisch des Herrn eröffnet. Dennoch sollte der Wunsch nicht einfach zurückgewiesen werden. In besonderen Fällen und Situationen ist eine Entscheidung in pastoraler Verantwortung zu treffen.“

Das ist ja die klassische evangelische Variante: Wir haben eine Regel. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Und welche Ausnahmen es gibt, legen wir nicht fest, sondern überlassen es der pastoralen Kompetenz der Pfarrer:in vor Ort.

Wie auch immer: Das Thema stellt sich in den letzten Jahren in erhöhter Dringlichkeit. Mehr und mehr evangelische Eltern lassen ihre Kinder nicht taufen, sondern sagen „die sollen das später mal selbst entscheiden“. Und so nehmen mehr und mehr ungetaufte Kinder an unseren Kindergottesdiensten und am Konfirmandenunterricht teil. Gleichzeitig gibt es immer wieder getaufte Menschen, die sich nach ihrem Kirchenaustritt wieder der Kirche annähern und ohne wieder eingetreten zu sein, am Abendmahl teilnehmen wollen.

Und es gibt Menschen wie Agim Ibishi. Der ist Muslim und seine Familie stammt aus Bosnien. Er selbst ist in Bünde bei Herford geboren und aufgewachsen. Hier hat er in der Berufsschule am Religionsunterricht teilgenommen, den der evangelische Berufsschul- und Diakoniepfarrer gehalten hat. Nach einem Studium an der Fachhochschule für Diakonie in Bethel tauchte er bei diesem Pfarrer als fertiger Sozialarbeiter wieder auf. Und arbeitet nun als Suchtberater für die Diakonie im Kirchenkreis Herford. Er ist höchst interessiert an religiösen Fragen, auch über seine eigene Religion hinaus. Eine Großmutter in Bosnien war katholisch, eine weitere enge Verwandte orthodox. Und so näherte er sich auch der evangelischen Kirche, ohne ihr zwingend auf formale Weise angehören zu wollen. War bei kirchlich-diakonischen Veranstaltungen dabei, auch bei Gottesdiensten. Zum Beispiel als der Kirchenkreis Herford 2019 Vorbereitungen für das abschließende Abendmahl beim Kirchentag in Dortmund traf. Agim Ibishi fuhr mit nach Dortmund. Und als es dann zum Abendmahl kam, stellte sich die Frage: „Was hindert’s, dass ich am Abendmahl teilnehme? Ich gehöre doch dazu.“

Kundige Menschen sehen hinter diesem Beispiel (das es wirklich gibt!) die ganze Debatte um believing before belonging oder belonging before believing.

Wir in Westfalen haben uns so entschieden:
Das Abendmahl ist und bleibt das Mahl der christlichen Gemeinde, für alle, die durch ihre Taufe in den Leib Christi, in die Gemeinschaft der Christenheit, aufgenommen sind. Eine Teilnahme von Ungetauften kann dennoch möglich sein, wenn sie als nicht ausgesprochenes Taufbegehren und Teilhabenwollen gedeutet wird. Dieses Zeichen soll durch die Pfarrerin/den Pfarrer wahrgenommen und – am besten außerhalb des gottesdienstlichen Rahmens – in eine klärende wie einladende Begleitung überführt werden. So wird in Westfalen auch (noch) ungetauften Menschen die Möglichkeit geschaffen, am Abendmahl teilzunehmen. In unseren Abendmahlsrichtlinien heißt es: „Im Heiligen Abendmahl wird die Gemeinschaft mit Jesus Christus und untereinander gefeiert, die in der Taufe ihre Bestätigung findet. Alle Getauften sind zum Abendmahl eingeladen. Taufe und Abendmahl stehen in einer engen Verbindung. Diese Verbindung ist nicht exklusiv. Wer sich durch Jesus Christus eingeladen weiß und auf dem Weg zur Taufe ist, kann am Abendmahl teilnehmen.“

Dabei steht der folgende Gedankengang im Hintergrund: Die Verkündigung als Ruf zum Glauben schließt die Einladung zur Taufe ein, weshalb Ungetaufte, indem sie die Einladung zum Abendmahl für sich annehmen und daran im Einzelfall teilnehmen, zugleich ihren Willen bekunden, sich taufen zu lassen.

Was die ausnahmsweise Möglichkeit von Ausgetretenen am Abendmahl angeht, so kann auf Überlegungen der EKD verwiesen werden, deren Kammer für Theologie 2003 festgestellt hatte: „Das Ziel der Taufe ist nach kirchlicher Lehre ein Dreifaches: Die Verherrlichung des dreieinigen Gottes, Leben und Seligkeit der Getauften und der Aufbau der Kirche. […] Aller Dienst der Kirche an den aus ihr Ausgetretenen muss dieses Ziel vor Augen haben. Dabei kann dieser Dienst daran anknüpfen, dass, trotz der Distanzierung von der Kirche oder des mit dem Kirchenaustritt gegebenen Bruchs, durch die Taufe dennoch eine Verbindung der Kirche mit dem Getauften bestehen bleibt.

An diese Verbindung kann bei der Abendmahlsteilnahme eines aus der Kirche ausgetretenen Getauften – auch missionarisch – angeknüpft werden. Eine kirchliche Kontrolle, wer sich wie weit auf dem Weg zur Taufe befindet, kann offensichtlich nicht erfolgen.

Wir sind in Westfalen dabei nicht allein. In den Bestimmungen der Nordkirche zum Abendmahl heißt es: „Nach dem Verständnis der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland ist die Taufe Voraussetzung für die Teilnahme am Abendmahl. Weil aber auch beim Abendmahl das Handeln des dreieinigen Gottes an erster Stelle steht, wird niemand, die bzw. der den ernsthaften Wunsch nach Teilnahme am Abendmahl äußert, abgewiesen.“ Und in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau heißt es in der Lebensordnung: „Die Einladung zum Abendmahl im Gottesdienst soll deutlich machen, dass alle, die sich von Christus eingeladen wissen und die Einladung in die christliche Gemeinde annehmen wollen, am Tisch des Herrn willkommen sind.“ Sie erinnern sich, zu welchen ökumenischen Kontroversen dies mit Rom im Vorfeld des Ökumenischen Kirchentags in Frankfurt 2021 geführt hat.

In der EKD-Orientierungshilfe zu Theologie und Praxis des Abendmahls von 2003 hieß es: „Eine grundsätzliche Öffnung des Abendmahls für Ungetaufte und eine undifferenzierte Einladung an alle entspricht jedenfalls nicht dem evangelischen Abendmahlsverständnis.“ Wir sind mittendrin in der Debatte, was denn eine „differenzierte“ Öffnung des Abendmahls für Ungetaufte heißen kann. Der systematische Theologe Philipp Stoellger hat im Theologischen Ausschuss der UEK in einer Diskussion zu diesem Thema davon gesprochen, dass die Zulassung Ungetaufter zum Abendmahl eine Irrlehre sei. Aber eine „kirchenerbauende Irrlehre“.

3.
Was oder welche Elemente werden beim Abendmahl ausgeteilt und zu sich genommen?

Auch diese Frage hat uns in Westfalen lange beschäftigt, in der Landessynode nachweisbar seit 1973.

Dabei ging es weniger um die Frage, welche Art von Brot für die Präsenz des Leibes Christi steht. Ob – wie in der Badischen Unionsurkunde von 1821 – zehn Zentimeter langes, geschnittenes Weißbrot, ob die klassischen Oblaten, Vollkorn- oder Weißbrot, glutenfrei oder nicht – der Möglichkeiten sind ja viele. Aber sie lassen sich alle unter dem Oberbegriff „Brot“ subsumieren.

Wir haben darüber diskutiert, welche Art vom „Gewächs des Weinstocks“ für die Präsenz des Blutes Christi steht. Nur Wein? Oder auch Traubensaft? Und wenn auch Traubensaft, dann nur als Ausnahme oder auch als Regelfall? Und man glaubt ja kaum, wieviel Energie die Debatte pro und contra Alkohol beim Abendmahl erzeugen kann.

Dabei wurde uns deutlich: Das heute gottesdienstlich gefeierte Abendmahl bezieht sich in einer relativ freien Form auf die neutestamentlichen Quellen. In der Kirchengeschichte wurden manche neutestamentlichen Elemente stark in den Vordergrund gerückt, andere zurückgedrängt oder sogar verdrängt: Der Zeitpunkt hat sich vom Abend auf den Morgen verschoben; der Mahlumfang und der Sättigungsaspekt sind zurückgetreten; der Gemeinschaftsaspekt wurde zum Teil reduziert; als Ort hat die Kirche das Haus ersetzt. Verstärkt hat die kirchliche Tradition die Bedeutung der Deuteworte und der Gebete. Äußere Umstände und neue Herausforderungen haben massiv auf die Entwicklung der Abendmahlsformen eingewirkt. Die Kirchen haben sich schon sehr früh eine gewisse Freiheit zur Weiter-, Um- und Rück-Gestaltung genommen.

Zu den heutigen Entwicklungen, auf die die Feier des Abendmahls reagieren muss, gehört nicht nur eine veränderte Bedeutung des Alkoholkonsums, sondern auch eine veränderte Sicht auf das Kind und die Familie in unserer Gesellschaft. Die westfälische Landessynode hat deshalb 2019 beschlossen, den Art. 184 der Kirchenordnung zu ändern: „Das Heilige Abendmahl wird nach der Einsetzung Jesu Christi gefeiert. Dabei werden die Einsetzungsworte gesprochen und Brot und Kelch gereicht.“ (vorher hieß es: Brot und Wein ausgeteilt). Durch die Änderung in beim Abendmahl nunmehr sowohl Wein als auch Saft gleichwertig zugelassen. Gemeinden können entweder nur mit Wein, mit Wein und Traubensaft, oder nur mit Traubensaft das Abendmahl feiern. Diese Vielfalt entspricht auch der Praxis in vielen westfälischen Kirchengemeinden. Die Landessynode der EKvW feiert das Abendmahl in der Zionskirche der von Bodelschwingschen Stiftungen Bethel regelmäßig nur mit Traubensaft. Für den Saft sprechen die größere Inklusivität — im Blick auf Kinder, im Blick auf Menschen mit Alkoholismus, in diakonischen Einrichtungen oder im Krankenhaus, wo oft aus medizinischen Gründen kein Alkohol beim Abendmahl gereicht wird. Für den Wein sprechen dessen traditionelle Bedeutung „als festliches Zeichen in Christus gewährter Lebens-Freude, Lebens-Fülle und Lebens-Hoffnung“ (Karl-Heinz Bieritz) sowie seine größere ökumenische Anschlussfähigkeit gerade im Hinblick auf die römisch-katholische Kirche, die den Gebrauch von Wein als Regelfall vorschreibt. In den meisten Freikirchen in Deutschland wird dagegen seit vielen Jahren fast nur noch Traubensaft beim Abendmahl verwendet.

Die oft behauptete „Stiftungsgemäßheit“ des Weins wurde intensiv bedacht. Wein wird in den Abendmahlstexten des Neuen Testaments als Inhalt des Kelchs bei Jesu‘ letztem Abendmahl nicht genannt, auch wenn Jesu und seine Jünger dabei Wein getrunken haben werden. Explizit spricht Jesus vom „trinken vom Gewächs des Weinstocks“ (Lk 22,18). Eine Konservierung des Safts „vom Gewächs des Weinstocks“ als Traubensaft ist vor 2000 Jahren nicht möglich gewesen. Insofern kann heute — wo die technischen Möglichkeiten zur Konservierung als Traubensaft gegeben sind — eine andere Praxis des „trinken vom Gewächs des Weinstocks“ auch als möglich anerkannt werden. Dass dies im Laufe der Geschichte in der weltweiten Kirche immer wieder praktiziert wurde (um von ganz anderen Getränken beim Abendmahl noch zu schweigen), hat der Anselm Schubert in seiner „kulinarischen Geschichte des Abendmahls“ mit dem prägnanten Titel „Gott essen“ deutlich gemacht.

4.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf den Gemeinschaftskelch?

Die westfälischen Abendmahlsrichtlinien wurden im Juni 2020 veröffentlicht. Ihr Text war aber schon Anfang des Jahres 2020 erstellt worden. In ihm hieß es: „Die Regelform der Austeilung von Wein oder Traubensaft ist der Gemeinschaftskelch. In ihm kommt die gemeinschaftsschenkende Kraft des Abendmahls sinnfällig zum Ausdruck. Andere Formen der Darreichung, z. B. die Intinctio oder Einzelkelche, sind möglich.

Traditionell wurde beim Abendmahl der Gemeinschaftskelch bevorzugt, weil dadurch die Gemeinschaft im Abendmahl am sinnenfälligsten zum Ausdruck kam. Durch die Corona-Pandemie seit März 2020 hat sich die Situation massiv geändert. Ich nehme derzeit flächendeckend große Zurückhaltung beim gemeinsamen Trinken aus dem Gemeinschaftskelch wahr. Und ich sehe nicht, dass sich das mittelfristig ändern wird.

In hygienisch sensiblen Zeiten wie derzeit kann die Gemeinschaft auch dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass der Wein oder Traubensaft aus einem gemeinschaftlichen Gießkelch in Einzelkelche gegossen wird, aus denen dann getrunken wird. Ein westfälischer Pfarrer entdeckte im Sommerurlaub in Dänemark solche Gießkelche, bei denen einem alten silbernen Kelch offensichtlich schon vor längerer Zeit eine Gießtülle hinzugefügt wurde. Auf seine Frage, warum und wann man denn das gemacht habe, bekam er zu Antwort: Das ist bei uns seit 100 Jahren so, seit der großen Spanischen Grippe.

Zur zeitweise beliebten Intinctio (also dem Eintauchen von Brot oder Oblate in den Kelch) haben die Liturgischen Ausschüsse von UEK und VELKD zu Recht angemerkt, „dass von der gängigen Praxis der Intinctio dringend abzuraten ist. Auch wenn viele Menschen hier ein besseres Gefühl haben, ist das Eintauchen der Hostien durch mehrere Personen während der Feier eine hygienisch fragwürdige Praxis: Das Halten der Oblate in der Hand kann Krankheitserreger auf die Oblate übertragen, die von dort auf die Oberfläche der Flüssigkeit im Kelch gelangen und von hier aus den Weg zum nächsten Kommunikanten finden.“

Insofern sehe ich derzeit den Einzelkelch als Regelform der Abendmahlsfeier (in manchen Fällen auch in Verbindung mit einem Gießkelch). In manchen Kirchengemeinden heißt das Arbeit für die örtliche Töpferei oder den Silberschmied in der Nachbarschaft.

Beim Brot ist es etwas einfacher, hygienische Standards zu wahren, aber auch hier ist oft liturgische Fantasie erforderlich.

5.
Gibt es ein digitales Abendmahl?

Die Corona-Pandemie hat noch eine weitere Auswirkung auf das Abendmahl gehabt. Kurz vor Ostern 2020 wurde ein deutschlandweiter Lockdown ausgesprochen, in einigen Bundesländern wurden Gottesdienste explizit verboten, in anderen Bundesländern – zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen – verzichteten die Kirchen auf Bitten des Staates darauf, Präsenzgottesdienste durchzuführen. Das digitale Streamen von Gottesdiensten blieb aber möglich. Manche Gemeinden waren gut darauf vorbereitet, andere gingen die Aufgabe spontan mit viel Engagement an. Schnell kam die Frage auf: Was ist mit dem Abendmahl? Am Gründonnerstag? Am Ostersonntag? Geht das auch digital?

In einigen Landeskirchen wurde explizit von der online-Feier des Abendmahls abgeraten, andere ermunterten explizit dazu. In Westfalen gab es keine kirchenleitende Vorgabe. Ich selbst habe damals gedacht, dass ein zweiwöchiges Abendmahlsfasten zumutbar wäre. [Schließlich ist nach evangelischem Verständnis ein Wortgottesdienst theologisch genauso viel wert wie ein Abendmahlsgottesdienst. Und vielleicht wäre nach einer Fastenzeit das Abendmahl den Christinnen und Christen um so wertvoller geworden.] Nun dauert die Fastenzeit nicht nur zwei Wochen, sondern zwei Jahre. Es geht nicht mehr um die Frage, was in der Notsituation erlaubt, möglich oder sinnvoll ist bzw. was nicht erlaubt, möglich oder sinnvoll ist, sondern um die grundsätzliche Frage: Wenn digitale Gottesdienste zum regulären Gottesdienstangebot gehören, gilt das auch für das digitale Abendmahl?

[Im Frühjahr 2020 gab es schnell eine intensive Debatte, ob das überhaupt möglich ist, so ein digitales Abendmahl. Interessanterweise wurde die Auseinandersetzung oft so geführt, als seien die theologischen Fragen völlig neu.
Dabei gab es schon vorher Überlegungen, auf die man hätte zurückgreifen können. Der alte Streit zwischen den griechischen Philosophen Platon und Aristoteles, in welchem Verhältnis Bilder und Wirklichkeit zueinander stehen. Die Auseinandersetzung der Reformatoren Luther und Zwingli darüber, wie denn nun die Präsenz von Leib und Blut Christi in den Elementen Brot und Wein beim Abendmahl zu denken sei. Aber auch jüngere Überlegungen zu der Frage, was die Digitalisierung mit der Gesellschaft macht. Auch in der Kirche gab es Menschen, die seit den 1990er Jahren dazu vorgedacht hatten. Aber die Debatten darüber blieben zumeist im Raum der Spezialisten. Das ist nun anders: Die Frage berührt weite Kreise der Kirche. Und es gibt noch keinen Konsens, wie die Antwort darauf lautet.]

Ich gehöre zu denen, die ein digitales Abendmahl für möglich halten. Und zwar nicht nur, weil es praktiziert wurde, sondern auch, weil es theologisch denkbar ist. [Dazu sind m.E. folgende Fragen zu klären: – Gibt es im digitalen Raum Gemeinschaft? Ich meine ja. – Müssen Elemente physisch vorhanden sein oder ist ein vollständiges Avatar-Abendmahl im Internet möglich? Ich meine ersteres. – Muss eine physische Ko-Präsenz der Feiernden mit den Elementen gegeben sein? Ich meine nein. – Muss eine Gleichzeitigkeit der Feiernden gegeben sein oder lässt sich ein online-Abendmahl auch zeitlich nachfeiern? Darüber sollten wir uns unterhalten, gerne auch kontrovers. – Und wer die Geschichte der evangelischen Theologie und Kirche anschaut, merkt, dass der Streit über das digitale Abendmahl gut evangelisch ist: Vielleicht ist über kein Thema in der evangelischen Kirche so viel theologisch gestritten worden wie über das Abendmahl – von der Trennung zwischen Luther und Zwingli 1529 in Marburg bis zur heutigen Sitzung unserer Arbeitsgruppe.]

6.
Das Wichtigste zum Schluss: Was tun gegen die „eucharistische Appetitlosigkeit“?

Seit dem Beginn der Pandemie scheint das Abendmahl generell an Bedeutung verloren zu haben. In den Zeiten ohne Präsenzgottesdienste und in denen mit einschränkenden Regeln (Maske, Abstand, Testung, Impfung) gab es viele Fragen an den westfälischen Coronastab nach dem Singen und wie es trotzdem möglich sein könnte. Viele Fragen nach Kirchencafé, nach Jugendarbeit, nach dem Wasserübergießen bei der Taufe. Aber nur wenige Fragen nach dem Abendmahl und wie es trotzdem möglich sein könnte. Beobachter haben eine „eucharistische Appetitlosigkeit“ diagnostiziert. Die zentrale Frage scheint mir derzeit nicht zu sein, ob welche Formen des Abendmahls sinnvoll oder erlaubt sein können. Sondern wie die Christ:innen in unseren Gemeinden überhaupt wieder Appetit auf das Abendmahl bekommen. Und dadurch entdecken, was an Gemeinschaft, was an Segen, was an Heil im Abendmahl liegen kann. Dazu kann es unterschiedliche Formen geben.

Was mir wichtig ist: Dass wir wissen, was wir tun. Und dass wir das, was wir tun, würdig tun. Was würdige Formen des Abendmahls in der Gegenwart sind, das lohnt sich immer wieder zu erproben.

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Grußwort im Dilemma

Grußwort als theologischer Ortsdezernent
zur Kreissynode des Ev. Kirchenkreises Herford
am 19.03.2022 (hier als Video online)

Hohe Synode, liebe Schwestern und Brüder in und um Herford,

gleich zu Beginne einmal tue ich das, was so ein Grußwort der Wortbedeutung nach tut: Ich grüße Sie herzlich von Präses Kurschus und dem juristischen Ortsdezernenten Thomas Heinrich.

Normalerweise würde ich in meinem Grußwort fortfahren und sagen, wie sehr ich mich freue, heute zu Ihnen sprechen zu können.

Ich gestehe: Heute am 19. März 2022 ist mir gar nicht so sehr danach zumute. Vor genau einem Jahr lag die Corona-Inzidenz bei 96. Heute bei 1735. Also 20mal so viel. Und ab morgen gilt ein Infektionsschutzgesetz, mit dem der Bund so gut wie alle Vorsichtsmaßnahmen komplett aufhebt. Wie wird das werden?

Und vor allem: Seit drei Wochen ist Krieg. Heute morgen hat die EU-Kommission angesichts der anhaltenden Kämpfe in der Ukraine vor einer Hungersnot gewarnt und von „apokalyptischen Zuständen“ gesprochen. Wie wird das werden?

Alles kein Grund zur Freude. Wir haben das ja gerade auch in der Morgenandacht gehört. Mir geht es da ähnlich:

Meine friedensethischen Überzeugungen sind mir aus der Hand geschlagen bzw. gebombt worden: Wandel durch Handel, Wandel durch Annäherung, Frieden schaffen nur ohne Waffen. Das geht gerade in Mariupol und in Charkiw und in Kiew unter. Der Ukraine helfen keine Pflugscharen. Ich bin aber auch nicht bereit, zu akzeptieren, dass Gewalt und Gegengewalt die einzige Lösung sind. Ich verstehe und unterstütze, dass die Bundeswehr mehr Geld braucht und robuster ausgestattet werden muss. Aber ich könnte auch nicht jubelnd aufspringen und die 100 Milliarden Sondervermögen des Bundes für militärische Aufrüstung beklatschen.

Ich befinde mich in einem Dilemma. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Und ich vermute, das geht manchen von Ihnen ähnlich.

Vielleicht bleibt mir aktuell nur noch ein Sprachmodus. Das Gebet. Unsere Gebete machen –mehr als alle klugen theologische Abhandlungen – deutlich, welche Hoffnung wir auf Gott setzen, was wir von ihm erwarten und ihm zutrauen. In unseren Klagen wie in unseren Bitten und Fürbitten trauen wir Gott etwas zu, deshalb wird nicht nur geklagt, sondern auch um ein Ende der Not gebetet. Ich lasse Gott da nicht raus!

Mit der Klage wagen wir mit Gott zu ringen. Indem das Elend Gott geklagt wird, gibt es einen Adressaten angesichts des Leides, das nicht stoisch, gelassen oder stumm hingenommen werden muss. Ich will das Leid in der Ukraine nicht hinnehmen, sondern beklagen. Genauso wenig wie die Tode durch Corona. Wir wissen: Ein Verstummen in der Not ist problematisch, manchmal verschärft es psychische Krisen oder es bricht als Suche nach Sündenböcken aus uns Menschen heraus. Das kann problematische Folgen haben, in der Pandemie etwa durch Verschwörungsmythen und auch einen neuen Antisemitismus in Teilen der sog. „Querdenker-Szene“. Im Ukraine-Krieg etwa dadurch, dass nun alle Russen als Bösewichter angesehen werden. Das ist natürlich falsch und Unsinn. Wir hören an vielen Stellen derzeit von Streitigkeiten zwischen Ukrainern und Russlanddeutschen, auch hier in Westfalen. Meine Bitte an Sie: zeigen Sie ihren russlanddeutschen Gemeindegliedern, dass sie zu uns gehören – und dass Sie differenzieren können zwischen ihnen und Putins Elite. „Die Russen“ gibt es nicht.

In den biblischen Klagen findet sich fast immer am Ende ein gleichsam vorweggenommenes Lob Gottes. Die Losung für den heutigen Tag ist so ein Fall: In Jona 2,7 steht:

Du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HERR, mein Gott!

Das ist das Gebet, das Jona zu Gott spricht, als er mitten im Bauch des großen Fisches steckt. Und das mit den Worten beginnt „Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst.“

Wenn wir während des Krieges und der Corona-Zeit Gott anrufen in unserer Angst, dann können wir trotz und gerade in dieser Zeit Gott danken, etwa dafür, wie Menschen durch den Gebrauch der Vernunft Gegenmittel (also Impfstoffe) gegen die Pandemie entwickelt haben. Wir dürfen Gott loben für die Hilfsbereitschaft von Menschen in Deutschland und anderswo, die ukrainische Flüchtlinge aufnehmen, Geld spenden, für den Frieden demonstrieren. Vielen Dank an Sie im Kirchenkreis Herford, dass Sie das bereits tun. Gestern habe ich mit Landrat Müller telefoniert, der mir berichtet hat, dass er dazu in gutem Kontakt mit dem Kirchenkreis steht.

Hohe Synode, liebe Schwestern und Brüder in und um Herford,

Sie haben wie immer ein volles und hochinteressantes Programm auf der Kreissynode. Gestern war ich bei der Kreissynode im benachbarten Kirchenkreis Vlotho, deshalb konnte ich den Vortrag von Frau Pohl-Patalong nicht live miterleben. Ich bin aber froh, dass ich das online nachschauen kann, denn das Thema ist ja so wichtig: Wie können wir die Kirche heute so gestalten, dass wir in 20 Jahren immer noch Gestaltungsmöglichkeiten haben?

Die entsprechenden Themen stehen bei Ihnen auf der Tagesordnung:

Personalplanungsräume für den Pfarrdienst / Interprofessionelle Pastoral-Teams / Verantwortlicher Umgang mit Finanzen / Ein gutes Verhältnis von Kirche und Diakonie / Ein hilfreich arbeitende Verwaltung / Ein funktionierendes IT-System / Strukturen für eine Kirchenmusik zum Lobe Gottes

Kirchenmusik. Ich muss und will zum Schluss auf diesen Punkt noch besonders zu sprechen kommen. Superintendent Reinmuth hat gestern abend im Zusammenhang mit dem Bericht zur Einrichtung des Kreiskantorats darauf hingewiesen, dass die Kirchenleitung am Donnerstag eine Entscheidung in der Standortfrage der Hochschule für Kirchenmusik getroffen hat. Die beiden Standorte der Hochschule sollen an einem Standort auf dem Campus der Evangelischen Hochschule in Bochum zusammengeführt werden. Zeitliches Ziel ist 2025.

Die Kirchenleitung hat es sich nicht leicht gemacht mit dem Entschluss, weil viele Faktoren eine Rolle gespielt haben. Keine der zur Wahl stehenden Varianten ist ohne Nachteile zu haben. Ich bin froh, dass die Variante mit dem größten Nachteil nicht beschlossen wurde: Die komplette und ersatzlose Schließung beider Standorte stand bis zuletzt ernsthaft zur Diskussion. Und deshalb bin ich froh darüber, dass die Kirchenleitung so beschlossen hat, wie sie es getan hat. Denn ich kann mir Kirche ohne Kirchenmusik und die Ausbildung von Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusikern nicht vorstellen.

Aber jede Medaille hat zwei Seiten: Auf der anderen Seite dieser Standortentscheidung stehen die Kosten, die sie mit sie bringt – die aber auch bei der Fortführung der beiden bisherigen Standorte entstanden wären. Und auf der anderen Seite steht auch der Verlust für den Kirchenkreis Herford und die Region Ostwestfalen. Das sehe ich deutlich und das hat die Kirchenleitung gesehen – das war ja einer der Gründe, warum es mit der Entscheidung so lange gedauert hat. Superintendent Reinmuth hat gestern davon gesprochen, dass er das bitter findet. Und ich vermute, dass das vielen von Ihnen ähnlich geht. Wir haben für den heutigen Vormittag vereinbart, dass eine Aussprache zu dem Thema im Zusammenhang mit seinem Superintendentenbericht erfolgen soll. Ich werde auch dabei sein.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche gute Beratungen und über allem Gottes Segen.