Kategorien
Kirchliches

You can never be too dead for resurrection

I: Auferstehung des Fleisches?

„Ich glaube an die Auferstehung der Toten.“ So bekennt es die christliche Gemeinde sonntags im Gottesdienst. Doch die ursprüngliche Formulierung war nicht: „Auferstehung der Toten,“ sondern „Auferstehung des Fleisches.“ – Auferstehung des Fleisches, ganz handfest, ganz wörtlich, ganz körperlich. Auferstehung des Fleisches, daran zu glauben, ist nicht einfach. Viele Fragen türmen sich auf: Wie soll das funktionieren, dass ein im Grab verwester Körper wieder zum Leben erweckt werden kann? Setzen sich die verstreuten Atome dann einfach wieder zusammen? Oder, um es noch anschaulicher auszudrücken: Was passiert beispielsweise, wenn ein Beinamputierter beerdigt wurde? Aufersteht er mit oder ohne sein Bein? Und so weiter, die Liste der Fragen ließe sich fast beliebig verlängern.

In Deutschland haben evangelische und katholische Kirche erst in den 1970er Jahren gemeinsam beschlossen, die Formulierung des Glaubensbekenntnis abzuändern. Man wollte wohl die Anstößigkeit abmildern, die der alte Text hervorgerufen hatte. Und jetzt heißt es in den Gottesdiensten statt „Auferstehung des Fleisches“ jetzt „Auferstehung der Toten.“

Doch viele Fragen bleiben. Immer wieder hat es Diskussionen darüber gegeben, wie denn die Auferstehung zu verstehen sei. In der Mitte des letzten Jahrhunderts standen die Namen zweier Theologen exemplarisch für verschiedene Antwortmöglichkeiten. Sehr vereinfacht gesagt: Auf der einen Seite Karl Barth (1886-1968). Er bekannte sich zur Tradition, sagte ja zur Vorstellung von der Auferstehung des Fleisches. Auf der anderen Seite Rudolf Bultmann (1884-1976). Er hielt es für unmöglich, im 20. Jahrhundert noch so von der Auferstehung zu sprechen, wie es die Menschen zur Zeit der Entstehung des apostolischen Glaubensbekenntnisses taten, also gut 1400 Jahre zuvor. Das meiste, was über Auferstehung ausgesagt worden war, hielt er für mythische Sprachformen. Und er meinte, man müsse sich vom Mythos trennen, wenn man zum eigentlichen Kern der christlichen Botschaft vorstoßen wolle.
Wovon hier die Rede ist, zeigt ein Cartoon:

Christopher Frey, Vorlesung: Einführung in die Theologie Karl Barths. Sommersemester 1986. Ruhr-Universität Bochum, Bochum 1986

Er ist vielleicht etwas überspitzt, aber das verdeutlicht nur, worum es geht. Hier geht es um zwei Positionen, die sich anscheinend unüberbrückbar gegenüberstehen. Auf den Ruf der himmlischen Posaune hin bricht Karl Barth, erkennbar an seiner Brille und seiner Pfeife, so wie er gelebt hat, aus dem Grab hervor. Rudolf Bultmann bleibt liegen.

Dahinter steht die Frage nach der Auferstehung des Fleisches. Sie ist eine der umstrittensten im Zusammenhang der Rede von der Auferstehung der Toten. Wie kann man sich das vorstellen?

II: Leib-seelische Auferstehung in der Bibel

Nicht immer ist in der Bibel die Vorstellung einer Auferstehung der Toten selbstverständlich gewesen. In frühen Texten des Alten Testaments wie beispielsweise Psalm 88 kommt deutlich zum Ausdruck, dass man damit rechnete, mit dem Tode sei alles aus. Alles, sogar die Beziehung zu Gott. Erst langsam kommt die Überzeugung zum Durchbruch, dass die Macht und die Liebe Gottes auch mit dem menschlichen Tod nicht aus seien. Diese Überzeugung widerspricht zunächst aller Erfahrung und so ist sie überaus schwer mit Mitteln der Sprache auszudrücken. Spätere biblische Texte versuchen das in Bildern zu sagen, zum Beispiel durch das Bild des Aufstehens vom Schlaf. Aufstehen, oder – im Deutschen noch etwas intensiver – auferstehen, mit dieser Metapher versuchten die alten Israeliten das zu sagen, was eigentlich unsagbar ist: Es gibt ein Leben nach dem Tod. Das zwölfte Kapitel im Buch des Propheten Daniel ist ein Text, der diese Hoffnung benennt. Dabei ist im alttestamentlichen Denken eines klar: Der Mensch ist ein ganzheitliches Wesen. Der Mensch lässt sich nicht aufteilen in einerseits Seele und andererseits Körper. Der Mensch ist eine leib-seelische Einheit.

Im Neuen Testament spielt die Auferstehung eine zentrale Rolle. Vor allem die Auferstehung Jesu Christi. Er stirbt am Kreuz – und wird dann von Gott auferweckt. Sein Grab ist leer, und als die Jünger und Jüngerinnen sich darüber noch wundern, erscheint er ihnen. Sie sehen ihn. So kommt es zum Grundbekenntnis der ersten Christen: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden.“ Eine neutrale Bezeugung der Auferweckung Jesu Christi von den Toten gibt es nicht. Jeder, der ihn nach seinem Tod und seiner Auferstehung gesehen hat, gehörte zur christlichen Gemeinde. Entweder gehörte er schon vorher zu den Jüngern und Jüngerinnen Jesu, wie zum Beispiel Petrus und Maria Magdalena. Oder er kam zur Gemeinde hinzu, wie zum Beispiel Paulus. Aber die Wirkung war für alle gleich. Diese eine Auferstehung hat eine ungeheure Bedeutung: Sie zeigt, dass Gott mächtiger ist als der Tod. Mit dem Tod ist eben nicht alles aus. Im Grunde kommen alle theologischen Aussagen des Neuen Testaments von dieser Überzeugung her: Das Vertrauen auf Gott, das Leben in der christlichen Gemeinschaft, aber auch die Rechtfertigung allein aus Glauben. Paulus, der hier einen besonderen Schwerpunkt setzt, schreibt in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth: „Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden“ (1. Kor. 15, 17).
Die Situation war noch sehr verworren im jungen Christentum. Augenscheinlich gab es in der christlichen Gemeinde in Korinth Menschen, die meinten, sie könnten Christen sein, ohne an die Auferstehung zu glauben. Dahinter stand das philosophische Menschenbild, das in Griechenland vorherrschte: Hier war es üblich, Körper und Seele voneinander getrennt zu betrachten. Und die Seele war das, was wirklich zählte. Der Körper dagegen war nur eine Art zeitweiliger Aufenthaltsort für die Seele. Und so war nach ihrer Auffassung klar: Der Körper ist es nicht wert, aufzuerstehen. Das kommt nur der Seele zu. Folglich konnte auch Christus nicht so auferstanden sein, wie es seine Jünger erzählt hatten. Und die Korinther hatten noch weitere Anfragen: Wie soll das denn funktionieren bei der Auferstehung aller Toten? Welcher Leib soll denn da auferstehen?
Paulus sagt demgegenüber ein Doppeltes: Zum einen: Christus ist auferstanden. Das habe ich euch gepredigt, das ist Zeugnis aller Jünger, angefangen von Petrus, der ihn gesehen hat. Das ist Zentrum unserer Botschaft. Das kann man nicht einfach so umdeuten oder weginterpretieren. Denn es ist wichtig für unsere Zukunft: Christus ist der „Erstling unter denen, die entschlafen sind“ (1. Kor 15,20). Die Johannes-Offenbarung nennt das ähnlich: „Der Erstgeborene von den Toten“ (Offb 1,5). Also in beiden Fällen: Hier hat etwas angefangen, was für alle Menschen Bedeutung hat. Gott hat diesen einen Menschen auferweckt – und damit den Tod überwunden. Das ist der Anfang vom Ende – für den Tod. Und gleichzeitig der Anfang für die Auferstehung aller Toten, der Anfang vom neuen Leben. Oder in Kurzform: „You can never be too dead for resurrection“ (so ein schottisches Graffiti, nach: Ingolf U. Dalferth, Volles Grab, leerer Glaube? Zum Streit um die Auferweckung des Gekreuzigten, in: ZThK 95/1998, S. 379-409).
Aber zurück zu Paulus. Er sagt den Korinthern noch ein Zweites: Natürlich wird es eine ganzheitliche Auferstehung der Toten geben. Nicht nur die Seele, auch der Körper wird auferstehen. Aber: Dabei findet eine Verwandlung statt. Der neue, geistliche Leib ist nicht exakt derselbe wie der alte, natürliche Leib. Und weil er wieder an die Grenzen dessen kommt, was man mit Sprache überhaupt noch ausdrücken kann, greift Paulus auf ein Bild, eine Metapher zurück: Es ist, sagt er, wie beim Säen. Das Samenkorn, das gesät wird, verwandelt sich, muss sich verwandeln. Erst dann kann eine neue Pflanze entstehen. Ohne das Samenkorn keine Pflanze – aber beide sind nicht ein und dasselbe. „So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich“ (1. Kor 15,42).
Das Modell das Paulus hat sich durchgesetzt in der Urchristenheit. Es gab immer wieder Theologen, die so stark von der griechischen Philosophie beeinflusst waren, dass sie das leib-seelische, ganzheitliche Menschenbild ablehnten. Aber sie blieben in der Minderheit. Die „Auferstehung des Fleisches“ wurde in das christliche Glaubensbekenntnis aufgenommen. Auch die Reformatoren haben diese Vorstellung übernommen.

III: Verwandlung und Neuschöpfung

Aber das heißt nun nicht, dass wir das auch so denken müssen. Wir können uns selbst eine Meinung bilden. Die biblischen Texte sind vor zwei- bis dreitausend Jahren verfasst worden, und selbst die Reformatoren haben fast ein halbes Jahrtausend vor uns gelebt. Sie hatten nicht unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse oder technischen Fähigkeiten zur Verfügung. Sie mussten für ihren Glauben Worte und Bilder finden, die aus ihrer Zeit stammten. Sind mit dieser Zeit auch die Worte und Bilder vergangen, ja, ist vielleicht mit dieser Zeit auch der Glaube veraltet? Diese Frage zu stellen, darf nicht verboten sein. Im Gegenteil: Sie ist sehr wichtig. Denn es kommt darauf an, dass der Glaube immer wieder neu seine Aktualität beweist. Wenn der Glaube nicht ausgedrückt werden kann in der Sprache der jeweiligen Zeit, dann verliert er seine Bedeutung.

Deshalb müssen Fragen gestellt werden. Zum Beispiel solche, wie ich sie am Anfang erwähnt habe: Was passiert, wenn ein Beinamputierter beerdigt wurde? Aufersteht er mit oder ohne sein Bein? Die erste Möglichkeit, darauf zu antworten, ist ehrlich und richtig, aber sie befriedigt vielleicht nicht völlig. Sie lautet: Wir wissen es nicht. Wir können es auch gar nicht wissen, weil man über die Zukunft nichts wissen kann. Wir können es erst dann wissen, wenn es soweit ist. Wie gesagt, diese Antwort ist richtig. Aber sie hinterlässt einen etwas schalen Nachgeschmack, weil sie im Grunde der Frage ausweicht. Deshalb versuche ich eine zweite Möglichkeit, auf die Frage zu antworten: Ich halte daran fest, dass der Körper auferstehen wird – und damit grenze ich mich gegen die Meinung ab, wie sie auf dem Cartoon vorhin Rudolf Bultmann zugeschrieben wurde. Ich halte es aber im Rahmen meines Weltbilds nicht für möglich, dass sich alle Atome wieder so zusammensetzen, wie sie im Moment des Todes waren. Zwar haben die Quantenphysik und die Chaosforschung bereits im 20. Jahrhundert erwiesen, dass viel mehr möglich ist, als es das rein mechanistische Weltbild des 19. Jahrhunderts zulassen konnte. Dennoch: Das heißt nicht, dass wir wieder das Weltbild der Antike übernehmen müssen. Deshalb kann ich mir Auferstehung auch nicht buchstäblich so vorstellen, wie der Cartoon es bei Karl Barth dargestellt hat. Es wird eine Verwandlung geben, hat Paulus im 1. Korintherbrief geschrieben. Das Alte wird nicht einfach so aus diesem Leben in das neue Leben hinübertransportiert werden. Sonst würde im Grunde alles beim Alten bleiben. Und damit wäre auch der Tod in seiner ganzen Ernsthaftigkeit, in seiner ganzen schrecklichen Tiefe nicht ernstgenommen. Aber es gilt auch: Wenn das Alte sozusagen neu-geschaffen wird, muss nicht etwas völlig Neues geschaffen werden. Unsere menschliche Identität hängt nicht an den Einzelheiten unseres Körperbaus, sondern daran, dass Gott uns als seine geliebten Geschöpfe identifiziert. Unsere menschliche Identität wird deshalb den Tod überdauern, weil Gott uns geschaffen hat und er uns auch von der Neuschöpfung nicht ausschließen wird. In der Johannes-Offenbarung heißt es im 21. Kapitel: „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein“ (Offb. 21,4). Auch das ist ein Bild, eine Metapher, und keine Tatsachenbeschreibung, wie sie ein Fernsehreporter aufzeichnen könnte. Aber dieses Bild ist aus zwei Gründen wichtig; es hilft bei der Beantwortung der Frage, wie man sich das denn nun vorzustellen habe mit dem amputierten Bein. Zum einen: Es ist eine sehr leibliche Metapher. Auch die Auferstandenen haben Augen, von denen Gott die Tränen wegwischt. Zum anderen: Mit dem Tod ist auch das Leid überwunden, sind Geschrei und Schmerz verschwunden. Und dann wird es auch keine Beeinträchtigungen des Lebens mehr geben, keine Einschränkungen durch fehlende Gliedmaßen oder ähnliches. Ob ich mir das so vorstellen muss, dass der Beinamputierte dann wieder zwei Beine hat, oder ob es eine andere Lösung geben wird, ob der neugeschaffene Körper Beine haben wird oder nicht, das übersteigt meine Vorstellungskraft. Das ist Spekulation. Nicht Spekulation ist die Zusage Gottes, der – übrigens im selben Kapitel der Johannes-Offenbarung (Offb. 21,5) – versprochen hat: „Siehe, ich mache alles neu!“

Meine Hoffnung richtet sich darauf, dass Gott alles neu machen wird, das Gott alles gut machen wird. Wie wenig kann ich endgültige Antworten geben. Wie unzureichend können meine Worte das ohne Widersprüche darstellen, auf was ich hoffe. Aber auch Paulus war kein Theologe, der ein für allemal und völlig widerspruchsfrei das aufgeschrieben hat, was er geglaubt hat. In den Jahren seines Wirkens hat sich auch manches in seiner Vorstellungswelt verändert. Manches hat er in verschiedenen Briefen auch ganz bewusst anders ausgedrückt, weil es an andere Empfänger gerichtet war. Und das gilt auch über Paulus hinaus für die ganze Vielfalt neutestamentlicher Autoren, ja biblischer Texte überhaupt. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn es auf manche Fragen keine einheitliche Antwort gibt, keine, die sozusagen ein für allemal alles klar stellt.

IV: Der Zeitpunkt der Auferstehung

Eine weitere dieser Fragen ist die nach dem Zeitpunkt der Auferstehung: Wann werden die Toten auferstehen? Oder persönlicher formuliert: Wann werden wir auferstehen? Eine Antwort steht im zweiten Kapitel des Epheserbriefs. Dort heißt es, dass Christen im Moment ihrer Bekehrung bereits auferweckt sind. Die Auferstehung ist also schon geschehen. Das andere Extrem ist der sogenannte Jüngste Tag am Ende der Zeiten. So steht es im vierten Kapitel des ersten Thessalonicherbriefs. Bis zu diesem Ende der Zeiten – so die entsprechende Vorstellung – schlafen die Toten. Erst dann werden sie alle gleichzeitig auferweckt. Die dritte Möglichkeit ist im ersten Kapitel des Philipperbriefs angedeutet: Im Moment des Todes geschieht die Auferstehung. Diese Ansicht liegt auch dem Wort aus dem Lukas-Evangelium zugrunde, das Jesus am Kreuz zu dem Verbrecher an seiner Seite sagte: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43).
Diese drei unterschiedlichen Terminvorstellungen kann man kaum in Übereinstimmung miteinander bringen. Das liegt daran, dass hier etwas geschieht, was mit menschlichen Zeitbegriffen nicht zu fassen ist. Nach göttlichen Maßstäben wird dies anders sein. Gottes Zeitbegriffe sind anders als unsere. In Psalm 90,4 heißt es: „Tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist“. Wer tot ist, ist nicht mehr menschlichen Zeitmaßstäben unterworfen, sondern ist in Gottes Zeit, Gottes ewiger Gegenwart. Von hier aus hat jemand einmal gesagt: Auf die Frage, wie lange es denn sei von dem biologischen Tod eines Menschen bis zur endzeitlichen Auferweckung aller Toten – auf diese Frage gebe es im Grunde nur eine Antwort: Genau einen Augenblick!

V: Gottesbild und Auferstehungsvorstellung

Für Paulus und andere neutestamentliche Autoren hängt die ganze Theologie, das ganze Gottesbild, an der Rede von der Auferstehung. Die Gedichte des Berner Pfarrers Kurt Marti (1921-2017) sind ein Beispiel dafür. Eines heißt „auferstehung“ (Kurt Marti, Leichenreden, Frankfurt a.M. 1976, S. 25):

ihr fragt wie ist die auferstehung der toten?
ich weiß es nicht
ihr fragt wann ist die auferstehung der toten?
ich weiß es nicht
ihr fragt gibt‘s eine auferstehung der toten?
ich weiß es nicht
ich weiß nur
wonach ihr nicht fragt:
die auferstehung derer die leben
ich weiß nur wozu Er uns ruft:
zur auferstehung heute und jetzt

All‘ die genannten Fragen lässt Kurt Marti sein Gegenüber auch stellen. Auferstehung der Toten: „Wie? Wann? Ja oder nein?“ Und Marti antwortet viermal: „ich weiß es nicht.“ Das ist richtig. Wir alle wissen es nicht. Aber diese stereotype „ich weiß es nicht“ bleibt unbefriedigend. Auch Kurt Marti weiß, dass man mehr sagen muss als „ich weiß es nicht.“ Und er sagt mehr. Denn nachdem die ersten vier Strophen mit dem Nicht-Wissen geendet haben, beginnen die letzten beiden Strophen mit dem Wissen: „ich weiß.“ Und was wird da gewußt? „die auferstehung derer, die leben“ – so heißt es in der vorletzten Strophe. Also nicht die Auferstehung der Toten, sondern die Auferstehung der Lebenden. Etwa im Sinne des Sponti-Spruches „Gibt es ein Leben vor dem Tod?“ Oder, wie es die letzte Strophe noch genauer ausdrückt: „auferstehung heute und jetzt.“ Das verlagert die Fragestellung – und, wie ich meine, das weicht der eigentlichen Fragestellung aus. Selbstverständlich müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie das Leben vor dem Tod aussieht. Christen dürfen nicht immer nur auf das Jenseits vertrösten, sondern müssen auch im Diesseits leben. Aber: Sollen wir uns wirklich nur noch mit der „Auferstehung heute und jetzt“ beschäftigen? Reicht uns das aus? Gibt uns das Kraft? Spendet uns das Trost, wenn wir trauern?
„Ich weiß nur, wozu Er uns ruft…“ – Wer so formuliert, macht Auferstehung zu einer Aufgabe. Einer Aufgabe, zu der Gott uns ruft, einer Aufgabe, die wir selbst erledigen müssen. Dann müssen wir Auferstehung „machen.“ Mich überfordert das. Ich kann Auferstehung nicht „machen.“ Ich kann mir Auferstehung nur schenken lassen. Das ist das, was in dem Begriff „auferweckt werden“ steckt. Jesus Christus ist auferweckt worden. Ich hoffe darauf, auferweckt zu werden. Gott ist der, der das macht – nicht ich. Gott wird mich auferwecken – nicht ich mich selbst.

Bei Paulus hängt das ganze Gottesbild an der Auferstehung der Toten. Auch bei Kurt Marti. Das Gottesbild, das hinter seinem Gedicht steht, ist bestimmt durch eine Forderung, durch den Ruf zur Aktivität. Ein fordernder Gott, kein gebender Gott. Wichtig ist die Aufgabe, nicht die Gabe. Das ist allerdings wichtig. Der göttliche Anspruch gehört auch zum Verständnis vom Glauben, zum Gottesbild. Aber der Anspruch darf nicht ohne den Zuspruch bleiben. Sicherlich dürfen Christen und Christinnen nicht die Hände in den Schoß legen, frei nach dem Motto: Wir können ja doch nichts ändern. Aber Christen und Christinnen sollten auch nicht meinen, sie könnten alles selbst in die Hand nehmen. Vor allem, wenn es um die Überwindung des Todes geht. Das kann nur Gottes Sache sein. Denn nur Gott ist mächtiger als der Tod. Zu meinem persönlichen Gottesbild gehört eben nicht nur die Ohnmacht des mit-leidenden Gottes, sondern auch die Macht des alles überwindenden Gottes. Nicht nur das eine, sondern auch das andere. Kurt Marti hat die eine Seite ganz stark betont. Er hat sicherlich seine guten Gründe dafür gehabt. Aber die andere Seite soll nicht vergessen werden.

VI: Reinkarnation – eine christliche Vorstellung?

„Ich glaube an … die Auferstehung der Toten.“- Kein einfacher Teil des Glaubensbekenntnisses. Auch wenn man darauf hofft, von Gott auferweckt zu werden, stellen sich viele Fragen. Einige habe ich genannt: Wie ist das mit der leiblichen Auferstehung zu verstehen? Wann wird die Auferstehung stattfinden? Wie hängt das eigene Gottesbild mit der Vorstellung der Totenauferstehung zusammen? Aber man kann noch viel grundsätzlicher fragen: Wird es überhaupt eine Auferstehung geben, so wie sie im Glaubensbekenntnis ausgesagt wird? Viele Menschen glauben das nicht mehr, auch viele Christen nicht. In einer Umfrage haben 1992 nur 22% aller Christen angegeben, dass sie an eine Auferweckung durch Gott glauben. Immerhin die Hälfte davon, also 11%, glaubten statt dessen an eine Wiedergeburt. Bei Nichtchristen war der Anteil derer, die an Wiedergeburt glauben, noch viel höher. Reinkarnation heißt das Zauberwort, das vielen Menschen attraktiver erscheint als die Auferstehung. Reinkarnation, das heißt für viele: Mein Körper mag sterben, aber meine Seele wird weiterleben. Ein neues Leben in einem neuen Körper, einer neuen Existenz. Im fernöstlichen Buddhismus wird dieser ewige Zirkel der Wiederkehr als Strafe verstanden, eine Strafe, der man erst entkommt, wenn man würdig ist für das Nirwana, das ewige Nichts. Hierzulande wird Reinkarnation dagegen oft nicht als Strafe, sondern als Chance verstanden. Man darf es noch einmal versuchen und bekommt neue Möglichkeiten, ein gelungenes Leben zu leben. Das passiert quasi automatisch, man muss nichts weiter dafür tun. Und einen Gott braucht man dafür auch nicht. Vielleicht hat ein Gott irgendwann einmal den ganzen Prozess in Gang gebracht, aber jetzt spielt er keine Rolle mehr.

Ganz gewiss kann man Gott nicht beweisen und insofern ist dies kein unwiderlegbares Argument gegen die Lehre von der Seelenwanderung. Aber es macht deutlich, dass die Reinkarnationsvorstellung mit dem christlichen Glauben nicht zu vereinbaren ist. Hier gibt es ein Entweder – Oder. Dieser Gegensatz wird noch verstärkt durch weitere Widersprüche, von denen ich drei hier kurz nennen möchte. Erstens: Wo ein personaler Gott durch ein vorgegebenes Schema ersetzt wird, da wird die Erlösung zu einer Aufgabe, die man selbst bewältigen muss. Diese Selbsterlösung widerspricht aber dem, was Christen von ihrem Gott glauben: Dass er der Erlöser ist, weil wir Menschen uns selbst gar nicht erlösen können. Das befreit uns Menschen von dem Zwang, immer alles selbst leisten zu müssen und somit ständig unter Erfolgsdruck zu stehen. Zweitens: Hinter der biblischen Auferstehungshoffnung steht ein völlig anderes Zeitverständnis als bei der Reinkarnationsvorstellung: Bei der Seelenwanderung ist im Grunde ein zirkuläres Zeitverständnis vorausgesetzt: Alles dreht sich im Kreis, alles ist schon einmal dagewesen, die ewige Wiederkehr des Immer-Gleichen. Das biblische Verständnis aber hat einen Anfang und ein Ende, ist also linear. Auf dieser Zeitlinie ist nichts schon einmal dagewesen, alles ist neu und hat seine eigene Würde. Das bringt mich zu dem dritten und letzten Punkt. Nach der Reinkarnationslehre bin ich, der ich hier vor Ihnen stehe, nur die x-te Ausprägung, in der eine unsterbliche Seele wiedergeboren wurde. Im Grunde ist es egal, in welchem Körper sie wiedergeboren wird, im Grunde ist die Form egal. Nach dem biblischen Verständnis, das hinter der Lehre von der Auferstehung steht, ist dies komplett anders. Ich bin einmalig, weil ich nur einmal auf der Zeitlinie vorkomme. Gott hat jeden und jede von Ihnen einmalig geschaffen. Diese Identität kann Ihnen niemand nehmen. Diese Identität wird der Gott, der jeden und jede von uns geschaffen hat, auch über unseren Tod hinaus bewahren.

VII: Zum Schluss: Die Hoffnung

Wie das genau passieren wird, darüber weiß ich nichts. Ich bin aber gespannt darauf, es zu erfahren. Hier bleibt uns nichts übrig, als zu hoffen. Hoffen, dass sich als wahr erweisen wird, was im Glaubensbekenntnis ausgesagt wird: dass der Tod überwunden ist und die Toten auferstehen werden. Hoffen, dass wirklich wird, was Gott uns versprochen hat: dass er uns auferwecken wird und wir für immer bei ihm sein werden.