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Kirchliches

Von Engeln und Eselinnen

Gottesdienst anlässlich des von Bülowschen Familientags
Themen-Gottesdienst „Engel“
am Michaelistag, 29. September 2024 in der Augustinerkirche Gotha

Pfarrerin Angela Fuhrmann (AF) und Pfarrer Dr. Vicco von Bülow (VvB)

Kurze Zusammenfassung der Vorgeschichte (VvB):
Eine Migrationsgeschichte aus der Zeit der biblischen Wüstenwanderung. Das Volk Israel kommt aus Ägypten und sucht seine neue Heimat im gelobten Land. Doch die sesshaften Völker, durch deren Gebiete die Israeliten hindurch müssen, betrachten diesen Haufen wandernder Nomaden mit verständlichem Misstrauen. Sie sind sehr zahlreich, sie sind bewaffnet – und niemand kann genau wissen, was sie vorhaben. Die Amoriter und das Volk aus Baschan jedenfalls schaffen es nicht, sie aufzuhalten. So gelangen sie dann an die Grenzen des Königreichs Moab. Und als Balak, der König der Moabiter, das Volk kommen sieht, ist ihm klar, dass er es mit militärischen Mittel allein nicht besiegen kann. Denn er ist in diesem Punkt klüger als andere Könige. Er versteht, dass es hier weniger um Waffen geht als um den „himmlischen Rückenwind“ der Israeliten: Israel hat den Segen Gottes auf seiner Seite. Also will Balak zuerst Gott auf seine Seite ziehen, um anschließend gegen Israel bestehen zu können. Und da kommt Bileam ins Spiel. Der ist ein berühmter Gottesmann, Magier und Wahrsager – sozusagen ein „Profi“ fürs Segnen und Fluchen, Beschwören und Verwünschen. Darum lässt ihn König Balak durch Boten herbeirufen, verspricht ihm großen Lohn und bitte ihn darum, das wandernde Volk Israel zu verfluchen. Bileam ist nicht abgeneigt, den Auftrag zu übernehmen. Auch ein Magier muss von irgend etwas leben. Doch in der Nacht spricht Gott zu ihm und sagt: „Geh nicht mit ihnen, verfluche das Volk auch nicht; denn es ist gesegnet“ (4. Mose 22,12). Bileam akzeptiert das und erteilt der Gesandtschaft am nächsten Morgen eine Abfuhr. Doch König Balak lässt so schnell nicht locker. Er schickt eine neue Delegation, die Bileam wiederum Gold, Silber und große Ehre verspricht, wenn er nur den Auftrag zur Verfluchung Israels übernimmt. Bileam schläft erstmal eine Nacht drüber. Und in der Nacht hört er Gottes Stimme, der es ihm erlaubt, das Angebot des Königs anzunehmen, wenn er bei dem Unternehmen nur jederzeit tut, was Gott ihm sagt. Bileam meint, er hätte nun „grünes Licht“. Aber hat er Gottes Wort auch richtig verstanden? Oder hat er im Schlaf bloß gehört, was er hören wollte? Am nächsten Morgen sattelt er jedenfalls seine Eselin und will mit der königlichen Delegation nach Moab ziehen. Aber Gott ist mit Bileams Entschluss keineswegs einverstanden, sondern ist sehr zornig und stellt dem Reisenden seinen Engel entgegen – mit einem Schwert in der Hand. Allerdings für Bileam nicht sichtbar. Zum Glück ist das Reittier klüger als der Reiter. Die Eselin sieht den Engel und versucht ihm auszuweichen. Bileam schlägt sie mit der Gerte, um sie wieder auf den Weg zu bringen. Einmal, zweimal, dreimal. Dann kann sie nicht mehr. Die Eselin fällt auf die Knie und bricht zusammen. Und während Bileam den Engel immer noch nicht sieht, kann er jetzt zumindest die Eselin hören.
„Was habe ich dir getan, dass du mich nun schon zum dritten Mal schlägst?“ Bileam wundert sich nicht einmal über die sprechende Eselin, sondern schreit sie an: „Du hältst mich zum Narren! Hätte ich doch ein Schwert zur Hand! Dann wärst du jetzt schon tot!“ Die Eselin erwidert: „Bin ich nicht deine Eselin, auf der du dein Leben lang geritten bist? War es je meine Art, so etwas zu tun wie heute?“ „Nein“, gibt Bileam zu. Er ist der eigentliche dumme Esel. Und in dem Moment passiert es:

Biblische Lesung: 4. Mose 22,31-35 (Neue Genfer Übersetzung)
31 Da öffnete der Herr ihm die Augen, und er sah den Engel mit gezücktem Schwert auf dem Weg stehen. Bileam warf sich vor ihm nieder und berührte mit seiner Stirn den Boden.
32 »Warum hast du deine Eselin nun bereits dreimal geschlagen?«, stellte der Engel des Herrn ihn zur Rede. »Ich war es, der sich dir entgegengestellt hat, denn du bist auf dem verkehrten Weg.
33 Die Eselin hat mich gesehen und ist mir dreimal ausgewichen. Hätte sie es nicht getan, dann hätte ich dich getötet und sie am Leben gelassen!«
34 Da sagte Bileam zu dem Engel: »Ich habe Schuld auf mich geladen. Ich habe nicht erkannt, dass du mir den Weg versperrt hast. Wenn meine Reise dir missfällt, kehre ich sofort um.«
35 »Du kannst weiter mit diesen Männern gehen«, antwortete der Engel des Herrn. »Aber sag nur das, was ich dir auftrage!« So zog Bileam mit den Abgesandten Balaks weiter.

Persönliche Geschichten mit Engelfiguren aus Gemeinde und Familie (Moderation AF)

Bileams Engel … (VvB)
Michaelis ist der „Tag des Erzengels Michael und aller Engel“. Brauchen wir so etwas in der evangelischen Kirche? Vielleicht haben wir uns zu lange zu wenig Gedanken über Engel gemacht, obwohl sie doch biblische Gestalten sind. Und dies, obwohl der Angelus im Evangelium steckt.
Sie erinnern sich an die biblische Lesung von vorhin?
Bileam ist auf dem Rücken seiner Eselin unterwegs nach Moab. Gott stellt ihnen einen Engel in den Weg, doch Bileam sieht ihn nicht. Nur seine Eselin hat ein Sensorium für die göttliche Mitteilung und Warnung. Das schon ist kurios: der göttliche Bote braucht eine weitere Botin. Bileams Eselin verhält sich so, wie Esel nun einmal sind: störrisch. Bileam versteht das Verhalten seiner Eselin nicht und schlägt sie.
Die keineswegs sture, sondern hellsichtige Eselin belehrt Bileam dann über Gottes Wege. Sie ist die Seherin – und er der blinde und sture Bock. Es bedarf der Weisheit einer Eselin, um den Seher Bileam über das aufzuklären, was er nicht sieht: den warnenden Engel Gottes, der sich Bileam in den Weg stellt, um ihn von einem verhängnisvollen Irrweg abzubringen. Die Eselin, das gewöhnliche Last- und Reittier, wird zum Vehikel einer göttlichen Offenbarung.
Bei Bileam dämmert es nur langsam: erst muss Gott einen Engel schicken, dann einer Eselin den Mund öffnen und schließlich noch Bileam die Augen. Ziemlich viel Nachhilfe für einen, der es eigentlich wissen sollte. Doch Gott beweist eine Eselsgeduld im Umgang mit Bileam. Gelehrsamkeit ist eben offenbar keine Garantie für Wahrheitserkenntnis. Manchmal sind es die einfachen Weisheiten, sprich: Eseleien, die zielführend sind.
Das kenne ich, und ich vermute, das kennen Sie auch: Manchmal frage ich mich, wo Gott denn nun in meinem Leben ist. Ob er überhaupt noch mit mir spricht. Und dabei übersehe ich, dass er das tut. Nur manchmal halt etwas indirekter. Er schickt Engel. Oder Esel. Die mir Gottes Botschaft ausrichten. Aber ich bin blind, sehe den Engel nicht und höre vom Esel nur das I-A. Gott wirkt in meinem Leben. Ich sollte nur besser zusehen und hinhören. Augen und Ohren auf für Gottes Boten, das ist meine Lehre aus der biblischen Geschichte.
Übrigens, diese Geschichte geht noch weiter: Nach der Begegnung mit dem Engel reitet Bileam auf seiner Eselin weiter und trifft König Balak. Der gibt Bileam den Auftrag, Israel zu verfluchen, um auf diese Weise das Geschehen eines bevorstehenden Kampfes zu beeinflussen, doch heraus kommt am Ende ein Segen. Diese Szene wiederholt sich zwei weitere Male mit jeweils dramatischer Steigerung. Das erregt verständlicherweise den Zorn Balaks, der Bileam nach Hause jagen will. Bileam jedoch – schon im Abgang begriffen – spricht einen letzten vierten Segen über Israel aus. Damit ist auch er zu einem Engel geworden, einem Boten Gottes, der im Namen Gottes spricht und handelt.
Auch das ist was für uns, die wir hier als Michaelis-Gemeinde in Gotha versammelt sind: Auch wir können Engel werden, Boten Gottes, die in seinem Namen sprechen und handeln. Selbst wenn, das, was wir so sagen und tun, uns eher wie eine Eselei vorkommt.

… und unsere Engel (AF)
Der hebräische Name „Michael“ bedeutet „Wer ist wie Gott?“ Der Name zeigt, dass Engel auch gegen die Selbstüberschätzung von Menschen zu kämpfen haben.
In unserer Vorbereitungsrunde, als wir unsere verschiedenen Engel-Figuren angeschaut haben, fiel nebenbei die Bemerkung: „Wenn man dran glaubt…“ Und da waren viele Fragezeichen in der Stimme.
Wir waren uns schnell einig: Engel aus Ton oder Papier oder Glas sind es nicht, die uns beschützen. Sie sind kleine Hinweise auf eine Macht, die größer ist als unsere Sorgen.
Und trotzdem gibt es viele berechtigte Fragen:
Fragen an Engel: „Wo wart ihr, als…? Wo seid ihr heute, wenn …?“
Engel reden eine besondere Sprache. Du musst sehr still sein, damit du sie verstehst. Aber dann sagen sie dir:
„Ihr Menschen seid nicht unsere Chefs! Das ist ein anderer! Ihr seid nicht Gott! Ihr versteht vieles nicht, was zwischen Himmel und Erde passiert. Ihr seht ja immer nur ein kleines Puzzleteil vom Ganzen. Gott hat den Überblick. Darum hören wir nur auf ihn. Auf seine Befehle. Wir Engel sind immer übrigens immer da, wenn wir gebraucht werden. Wir streicheln die Traurigen, den Kranken singen wir Mutmach-Lieder ins Herz, die Sterbenden nehmen wir in die Arme und tragen sie in den Himmel. Wenn du Angst hast, zünden wir eine Hoffnungs-Kerze an. Und wenn du nicht weiter weißt, tragen wir dich ein Stückchen. Wie ein Kind, das an den Händen der Eltern über die Pfütze fliegen darf – hui…
Lass dich doch einfach tragen! Über die Pfützen und Abgründe des Lebens. Von Puzzle-Teil zu Puzzle-Teil. Du wirst am Ende schon sehen, dass alles gut wird.
Übrigens: Wir können dich richtig beflügeln, wenn du für andere zum Engel wirst. Und: Wir lieben es, wenn ihr mit uns zusammen singt:

Lied:
Gott hat mir längst einen Engel gesandt,
mich durch das Leben zu führen.
Und dieser Engel hält meine Hand,
wo ich auch bin, kann ich’s spüren.
Mein Engel bringt in Dunkelheit mir Licht.
Mein Engel sagt mir: „fürchte dich nicht!“
Du bist bei Gott aufgehoben!
(Text: Eugen Eckert, Musik: Thomas Gabriel)