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Das Gute behalten!

Lied vor der Predigt (EG 412)

So jemand spricht: „Ich liebe Gott“,
und hasst doch seine Brüder,
der treibt mit Gottes Wahrheit Spott
und reißt sie ganz darnieder.
Gott ist die Lieb und will, dass ich
den Nächsten liebe gleich als mich.

Wer dieser Erde Güter hat
und sieht die Brüder leiden
und macht die Hungrigen nicht satt,
lässt Nackende nicht kleiden,
der ist ein Feind der ersten Pflicht
und hat die Liebe Gottes nicht.

Wer seines Nächsten Ehre schmäht
und gerne sie schmähen höret,
sich freut, wenn sich sein Feind vergeht,
und nichts zum Besten kehret,
nicht dem Verleumder widerspricht,
der liebt auch seinen Bruder nicht.

Wir haben einen Gott und Herrn,
sind eines Leibes Glieder,
drum diene deinem Nächsten gern,
denn wir sind alle Brüder.
Gott schuf die Welt nicht bloß für mich,
mein Nächster ist sein Kind wie ich.

Liebe Gemeinde,

am Ende des Schuljahrs 2024/25 steht dieser Gottesdienst unter dem Motto „Das Gute behalten“. Ein Anklang an die Jahreslosung für das Kalenderjahr 2025. Die stammt aus dem 1. Thessalonicherbrief und Andrea Seils hat sie gerade noch einmal vorgelesen. „Prüft alles und behaltet das Gute“ heißt es da zum Schluss.

Super, könnte jetzt der eine oder die andere denken. Gerade haben wir die schriftlichen und mündlichen Prüfungen in der Schule hinter uns gebracht, haben in viel zu langen Konferenzen mühsam mit den Kolleg:innen um Noten gerungen und endlich die Zeugnisse an die guten und an die nicht so guten Schüler:innen übergeben – und dann geht’s im Gottesdienst zum Schuljahresausklang schon wieder um  Prüfungen. Von wegen: jetzt endlich mal Ferien.

Ich versuche es trotzdem mal mit der Jahreslosung. Vielleicht können Sie ja doch ein paar Gedanken beim Übergang vom Schuljahr in die Ferien mitnehmen. Denn die Jahreslosung ist keine Gebrauchsanweisung des Apostels Paulus für den Umgang mit Schüler:innen in der Schule, sondern für das Leben als Christ:in allgemein. Und dieses Leben geht ja auch in den Ferien weiter.

Nach dieser Vorbemerkung drei Gedanken am Übergang vom Schuljahr in die Sommerferien: „Prüft alles und behaltet das Gute“.

Erstens: Prüft alles.

Prüft wirklich alles. Beschränkt Euch nicht auf das, was immer schon als gut bezeichnet wurde, was Standard in Kirche und Schule ist. Sondern prüft auch das, was es an neuen Ideen gibt, was für frühere Zeiten unpassend war, aber jetzt vielleicht doch weiterbringt. Prüft alles, was an den kreativen Rändern unterwegs ist und gemacht wird. Es gibt nicht nur das misstrauische Prüfen im Sinne eines Johnny Controlleti. Es gibt auch ein Prüfen aus Neugier, ein Prüfen, das hinter die Fassade schaut und Verborgenem auf der Spur ist, ein Prüfen, das daran glaubt, dass auch in schwierigen Situationen immer noch etwas geht.

Paulus hatte dieses neugierige Prüfen im Sinn. Zwei Verse vor der Jahreslosung schreibt er: „Unterdrückt nicht das Wirken des Heiligen Geistes“. Er will also ein geistreiches Prüfen, ein Prüfen, das Experimente wagt, das auch mal ins Risiko geht, das Neues herausfindet. Wenn etwas  aus dem Alltäglichen und Gewohnten ausbricht, hat es verdient, auf die Probe gestellt, ausprobiert, statt argwöhnisch beäugt zu werden.

Paulus gibt einen hilfreichen Hinweis, wie das funktionieren kann. Er schreibt nicht: Prüfe Du allein alles und alle. Nicht der Singular steht da, sondern der Plural: Prüft! Prüft gemeinsam. Es geht darum, gemeinsam geistreich zu werden. Finden Sie Orte dafür: im Kollegium, in der Fachkonferenz, in der Schulpfarrkonferenz, vielleicht auch im Freundeskreis. Jeden verrückten Vorschlag, auch sehr komisch erscheinende Ideen, nehmt sie zusammen auf, redet sie nicht tot. Lest zwischen den Zeilen, betastet sie gemeinsam von allen Seiten, befühlt sie. Und geht, wenn sie Euch mitreißen, ins Risiko, damit Neues entsteht. Dann wird es gut.

Zweitens: Behaltet das Gute.

Was ist eigentlich „das Gute“? Was früher als gut und richtig galt, muss es heute nicht mehr sein. „Eine Ohrfeige hat noch keinem geschadet“ – das war früher gesellschaftlich akzeptiert. Jetzt gelten solche Schläge als Straftat, weil niemand das Recht hat, anderen Gewalt zuzufügen, auch in der  Familie oder der Klasse nicht. Und das ist gut so.

Aber nicht bei allem sind wir uns so einig wie hier., was gut ist Was für die einen ein guter Schritt zum Klimaschutz ist, z.B. ein Tempolimit auf Autobahnen, das ist für andere ein unerträglicher Eingriff in die persönliche Freiheit.

Ist das Gute dann nur noch eine Geschmacksfrage wie bei der persönlichen Musikvorliebe: Ist Schumann gut? Die Scorpions? Oder Ski Aggu? Was mir gefällt, ist nur das gut? Oder gibt es noch  gemeinsame Normen und Orientierungen?

Als Christ gibt mir die Bibel Orientierung. Zum Beispiel sagen uns die Zehn Gebote, was gut ist oder zumindest: was auf keinen Fall gut ist: „Du sollst nichts Falsches über deinen Nächsten sagen“ beispielsweise. Damit ist schon mal klar, dass Fake News nicht gut sind und dass die social media entgiftet gehören. Gut ist, wenn in der Schule den Schüler:innen beigebracht wird, hier sorgfältig zu prüfen.

Jesus fasst die Frage nach dem höchsten Gebot, nach dem zentralen Maßstab, in einem Satz zusammen: „Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst“ (Mk 12,29-31). Nach dieser Leitlinie der Gottes- und Nächstenliebe ist das Gute das, was für ein gutes Leben miteinander taugt.

Gerade haben wir einige Beispiele für das gute Leben miteinander gesungen. Schauen Sie doch noch mal in Lied EG 412 hinein. Der Text stammt zwar aus dem Jahr 1757, ist aber auch 2025 noch aktuell. Liebe heißt: Den Nächsten lieben wie sich selbst. Das bedeutet ganz konkret: Hungrige satt machen, Nackte kleiden. Der Sozialstaat und die Diakonie sind da gefordert, aber auch wir einzelnen Christenmenschen. Die Ehre des Mitmenschen nicht schmähen, sondern dem Verleumder widersprechen. „Gott schuf die Welt nicht bloß für mich, mein Nächster ist sein Kind wie ich.“ Anders als bei Christian Fürchtegott Gellert sind das nicht nur die Brüder, sondern auch die Schwestern und die, die sich diesen binären Kategorien nicht zuordnen können.

Wie könnte Nächstenliebe in der Schule aussehen? Vielleicht muss es nicht gleich die ganz große Guttat sein. Vielleicht reicht oft auch das, was Sie als selbstverständlich erachten. Sich unter Kolleg:innen gegenseitig unterstützen. Das, was über die engeren Pflichtaufgaben hinaus geht, nicht immer nur den anderen überlassen, sondern auch selbst mal anzupacken. Zeit und Energie investieren in Schüler:innen, die Schwierigkeiten haben und Hilfe brauchen. Solidarität unter Schüler:innen fördern. Dann kann Schule so etwas wie Heimat und Zuhause für sie werden. Ich erinnere mich noch gut daran, als meine Frau und ich vergessen hatten, unserem Sohn etwas zu Essen mit in die Schule zu geben. Er sagte hinterher: Kein Problem, Alex hat genug dabei gehabt, sie hat mir etwas abgegeben. Wie gesagt, manchmal braucht es zur Nächstenliebe gar nicht so viel. Dann steht ein geteiltes Schokocroissant schon für das Gute, das wir behalten sollen.

Drittens und letztens: Lasst auch mal los.

Manchmal überfordert uns das Prüfen auch. Vor ungefähr einem Monat war ich bei Rewe Quermann in Babenhausen, um den Wocheneinkauf für die Familie zu erledigen. Vielleicht kennen Sie die wunderbare Käsetheke dort. Eine großartige Auswahl. Neben mir an der Kühltruhe mit den Sonderangeboten stand eine Frau, die wirklich jedes der etwa 40 abgepackten Camenbert-Stücke in die Hand nahm, es drehte und wendete und die Grammzahl überprüfte. Als ich mich neben sie stellte, legte sie das letzte Stück wieder in die Kühltruhe und zog ohne Käse von dannen. Offenbar kam sie angesichts der großen Auswahl mit dem Prüfen nicht weiter. Ich kenne das Gefühl und ich vermute, Sie auch. Manchmal ist uns alles zu viel und wir können nicht mehr ständig alles prüfen.

Da ist es gut, dass Paulus im 1. Thessalonicherbrief auch zum Loslassen ermutigt. Denn wer das Gute behält, kann das andere loslassen. Was im Schuljahr dank Ihres Einsatzes gut war, verdient ein herzliches Dankeschön. Was aber im Schuljahr nicht gut war, können Sie jetzt hinter sich lassen. Wenn jemand Sie verletzt hat, müssen Sie das nicht länger mit sich herumtragen. Wenn Sie selbst daneben lagen, müssen Sie sich das nicht immer wieder vorwerfen. Wir müssen das, was nicht gut war, nicht immer weiter mit uns herumschleppen. Einiges von dem Schlechten, das uns zugestoßen ist, können wir hinter uns lassen. Wer anderen vergibt, wer auch sich selbst vergeben kann, macht sich das Leben leichter. Niemand muss festhalten, was das Leben schwer macht. Es reicht, das Gute zu behalten: das Andere können wir loslassen.

In diesem Sinne: Schöne Ferien.

Und Amen.

Nach dem Gottesdienst gab’s Blumen. Die Bielefelder Schulreferentin Pfarrerin Andrea Seils und ich vor der Süsterkirche.

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Orientierung im neuen Jahr 2025

Gehören Sie auch zu den Menschen, die sich gute Vorsätze zum neuen Jahr vornehmen? Mehr Sport, weniger Süßigkeiten vielleicht? Jedenfalls mehr als im letzten Jahr. Oder weniger, je nachdem. Einmal im Jahr ergibt sich kalendarisch ein Neuanfang, der von vielen Menschen als Anlass genommen wird, sich mit guten Vorsätzen neu zu orientieren. Es gibt viele Anlässe für Neuorientierung im beruflichen oder privaten Leben. Manchmal kommen wir selbst darauf, uns neu zu orientieren, manchmal aber zwingen uns äußere Faktoren die eine oder andere Neuorientierung auf. Trennungen egal welcher Art haben oft große Krisen im Leben zur Folge. Krankheiten zwingen uns, neue Wege einzuschlagen. Doch auch globale Krisen, von denen langfristig niemand verschont bleibt, bewegen uns manchmal dazu, uns neu zu orientieren. Zum Glück können wir Menschen das: Uns bewusst orientieren. Orientierung ist das Sich-Zurechtfinden in Räumen oder einer Gegend. Dazu braucht es Markierungen, anhand derer wir uns orientieren. Das können konkrete Orientierungspunkte oder Himmelsrichtungen sein, aber auch Erkenntnisse, Erfahrungen oder Werte. Wer kein Ziel hat, verliert leicht die Orientierung.

Die Jahreslosung für 2025 kann bei der Orientierung helfen. Sie lautet „Prüft alles und behaltet das Gute!“ und stammt aus dem Neuen Testament, aus dem 1. Thessalonicherbrief des Paulus, Kapitel 5, Vers 21. Das ist von Paulus so pointiert formuliert, dass es hängen bleibt. Paulus rät mit seinem Brief den Mitgliedern der jungen Christengemeinde in Thessaloniki, die kulturellen Eigenheiten mit ihrer gesellschaftlichen Umgebung abzugleichen. Sollen die Gläubigen beim Beten stehen bleiben oder sich auf den Boden knien? Wie sollen sie mit Sklavenhändlern umgehen? Wie sollen Sie sich gegenüber denen verhalten, die den Christinnen und Christen Böses wollen? Paulus appelliert an die Toleranz seiner Leser. Er wünscht sich eine offene Gemeinde, die in großer Gelassenheit die Verständigung mit ihrer Umgebung sucht und sich nicht angstvoll von ihr abgrenzt. Paulus gibt Orientierung: Lasst Euch Zeit. Nehmt wahr, was ihr seht, hört oder fühlt. Erkennt die bunte Vielfalt. Und dann überlegt, was Ihr behalten wollt – und was auch nicht. Denn gleichzeitig macht Paulus auch klar: Es gibt Grenzen. Toleranz ist nicht Beliebigkeit. Paulus ist nicht gleichgültig, weil ihm alles gleich gültig wäre. Nein, er appelliert an die Menschen, auf die Welt achtzugeben. Sie genau wahrzunehmen, um sich eine Meinung zu bilden und daran das eigene Handeln zu orientieren. Um Entscheidungen zu treffen, welche Schritte gegangen werden können – und welche nicht.

Denn den Weg einer Neuorientierung geht man am besten wie jeden anderen auch: Schritt für Schritt. Zur Orientierung beim Orientieren im neuen Jahr 2025 können Ihnen vielleicht einige Fragen weiterhelfen: Womit möchten Sie abschließen? Was genau soll oder kann nicht so weitergehen wie bisher? Was muss sich ändern? Was kann überhaupt geändert werden? Und: Was soll so bleiben wie es ist? Warum wollen Sie etwas ändern? Oder warum wollen Sie es so wie bisher belassen? Woran haben Sie sich bisher orientiert? Wollen Sie bei diesen Orientierungspunkten bleiben, oder wollen Sie den einen oder anderen nicht lieber auszutauschen oder erneuern? Was hat Sie in der Vergangenheit getragen und wie können Sie dafür sorgen, dass Sie sich auch in Zukunft dort festhalten können?

Und es gibt noch viel mehr Fragen, die Ihnen dabei helfen, sich selbst zu reflektieren. Die wichtigste Frage, auf die es aber auch beim Thema Orientierung am meisten ankommt, ist so einfach und so schwer gleichzeitig: Was ist gut für Sie, für Ihre Mitmenschen, für unsere Gesellschaft, für unsere Welt?  Vielleicht ist das der wichtigste Vorsatz für das neue Jahr: Prüfen Sie alles, was Sie tun wollen, ob es gut ist für Sie und für alle. Und das behalten Sie dann im Blick als Orientierungspunkt für Ihren Weg durch das neue Jahr.

Einige Gedanken wurden angeregt durch die lesenswerte Auslegung der Jahreslosung durch Rieke C. Harmsen im Sonntagsblatt 360° Evangelisch.